Das beste Winterfutter: Was Pferde bei Kälte fressen müssen

Eilka Böye galoppiert mit Shosho durch eine Reithalle. Der Galopp ist eine Gangart, die viel Kraft fordert.
Galopp braucht Energie. Schonend trainiert wie bei Nachwuchsstute Shosho, rechtfertigt das alterstypische Pensum aber auch im Winter keine übertriebene Kraftfutterration. Foto: Maresa Mader

Bei Kälte brauchen Pferde mehr Energie über die Fütterung, und während der Erkältungszeit im Winter brauchen sie Immunschutz für die Virenabwehr. Klingt erst einmal logisch. Doch bei „ShoshoLogisch“ möchten wir aus nutriologischer Sicht genau wissen, was es mit dem besten Winterfutter auf sich hat:

Warum ist Heu das beste Winterfutter, damit Pferde gesund bleiben? Was bekommt Nachwuchspferd Shosholoza, geboren 2015, im Dressurzentrum Aubenhausen zu fressen? Und sehen wir es unserem Pferd eigentlich selbst an, ob es gut gefüttert ist, oder brauchen wir dafür fachmännische Hilfe?

Gut gefüttert ist nicht automatisch gesund ernährt

Die größten Zeitanteile im Training sollte vor allem im Winter und beim jungen Pferd stets der Schritt einnehmen – zum Aufwärmen in der Lösungsphase, beim Loben zwischendurch und beim Abspannen zum Schluss. Foto: Maresa Mader

Die Antwort lautet im Winter wie im Sommer: Wir brauchen beides, das eigene Augenmaß und das Expertenwissen von Fachmann oder Fachfrau. „Natürlich füttert das Auge des Besitzers das Pferd mit. Aber gut gefüttert ist nicht automatisch optimal ernährt“: Diesen wichtigsten Grundsatz zur gesunden Pferdefütterung gibt Expertin Dr. Kathrin Irgang allen Pferdebesitzern von Freizeitreiter bis Profireiter auf den Weg.

Die Veterinärin checkt und optimiert in ihrer Tierärztlichen Beratungspraxis für Ernährung die Futterrationen ihrer Pferdepatienten und ist bundesweit eine der renommiertesten unabhängigen Fütterungsberaterinnen. Bei „ShoshoLogisch“ gehört Kathrin Irgang zum Expertenteam für den Themenschwerpunkt Fütterung.

„Beim Beurteilen von Ernährungszustand und Futterration schaue ich mir natürlich immer das Pferd an. Manchmal reicht auch ein Foto, wenn das Pferd nicht grade dickstes Winterfell hat. Denn dann sieht man natürlich nichts, da muss ich tasten“, sagt Kathrin Irgang. Neben Schauen und Tasten (Faustregel: Die Rippen soll man beim Pferd fühlen, aber nicht sehen können) sammelt sie erst einmal alle möglichen Daten zum Pferd:

  • Pferderasse und Pferdetyp
  • Alter
  • Einsatzzweck
  • Leistungsniveau
  • Haltung: Box oder Laufstall, einzeln oder Gruppe
  • Dichtes Winterfell oder geschoren
  • Mit oder ohne Decke

Selbst die Topografie der Weide, also hügelig oder topfeben, spielt eine Rolle sowie das individuelle Temperament des Pferdes, weil es seinen Grundumsatz sowie sein spontanes Spiel- und Bewegungsverhalten beeinflusst.

Gut zu wissen

Die Rippen soll man beim Pferd fühlen, aber nicht sehen können.

Das beste Winterfutter: Check-Fragen

Mit diesen Parametern führt Dr. Irgang die computergestützte Rationsbedarfsberechnung sowie die Rationsanalyse durch und vergleicht theoretisches Soll und praktisches Ist:

  • Passt die aktuelle Fütterung des Pferds zu seinem Bedarf und zu seinem Ernährungszustand?
  • Bekommt das Pferd, zum Beispiel im Winter bei Kälte, genügend Energiezufuhr aus Grobfutter (also Heu, Heulage, Gras, Stroh) und Kraftfutter?
  • Stimmt die Nährstoffbalance insgesamt?
  • Hat ein Sportpferd, das wie Shosho in Entwicklung und Ausbildung steht, genügend hochwertige Proteine für den Muskelaufbau zur Verfügung?

Sind diese Fragen beantwortet, erstellt Dr. Irgang den optimierten Fütterungsplan. Wichtig dabei zu beachten: Viel hilft nicht automatisch viel. Das gilt gerade bei Pferden, die körperlich noch nicht komplett ausgereift sind. In der Fütterungslehre gilt ein Pferd zwar ab drei Jahren als adult, also erwachsen.

Körperlich voll ausgebildet sind ein dreijähriger Warmblüter und auch die fünfjährige Stute Shosho noch lange nicht und müssen, ja: dürfen deshalb gar nicht so bemuskelt sein wie ein Grand-Prix-Pferd. Sie sollen deshalb ruhig schlaksig aussehen.

Gut zu wissen

In der Fütterungslehre gilt ein Pferd ab drei Jahren als adult, also erwachsen.

„Für den gesamten Bewegungsapparat ist es immer gesünder, wenn Pferde in der Ausbildung idealgewichtig und schlank sind. Wurden sie in jungen Jahren zu fett gefüttert, waren sie für ihre Gelenke schon zu früh zu schwer“, sagt Kathrin Irgang. Sie legt deshalb großen Wert darauf, Pferde beim Anreiten und in der Grundausbildung bedarfsgerecht zu füttern.

Heu ist das beste Winterfutter auch für Sportpferde

Heu satt: Stute Shosho bekommt dreimal täglich Heu. So ist sie beschäftigt, die Energiebilanz stimmt, und der Magen läuft nicht leer. Foto: Maresa Mader

Die Basis dabei ist Grobfutter, also Heu, Heulage, Gras und Stroh. „Bei Sportpferden kann man das nie genug betonen, denn ich sehe leider in etlichen Sportställen, dass am Heu gespart wird. Die Regel ist, dass zweimal pro Tag Heu gefüttert wird und davon nicht zuviel, damit es nicht zertrampelt wird. Das könnte fürs Pferd dann knapp werden, gerade über Nacht, wo die Futterpause zu lang wird und der Magen leerläuft“, kritisiert Kathrin Irgang.

„Viele Sportreiter haben Angst, dass ihre Pferde vom Heu dicke Bäuche bekommen und träge werden, aber das Gegenteil ist der Fall: In einer Studie an Springpferden wurde sogar nachgewiesen, dass sie im Wettkampf am erfolgreichsten sind, wenn sie die empfohlene Mindestmenge Heu fressen: 1,7 bis zwei Kilogramm Heu pro 100 Kilogramm ideales Körpergewicht.“

Mindestens 1,7 Kilo, besser zwei Kilo Heu pro 100 Kilo Pferd: Diese goldene Regel gilt für Pferde ohne Weidegang. Im Winter kommt eine weitere Faustformel hinzu: Der Energiebedarf der Pferde steigt um zehn Prozent und muss sich vor allem aus Grobfutter speisen, nicht aus Hafer oder Müsli. „Ein 500 Kilo schweres Pferd sollte zehn Kilo Heu pro Tag fressen, im Winter noch ein Kilo mehr“, rechnet Kathrin Irgang die optimale Versorgung vor.

Gut zu wissen

Goldene Heuregel: Mindestens 1,7 Kilogramm, besser zwei Kilogramm Heu pro 100 Kilogramm Pferdegewicht.

„Forscher in den USA fanden heraus, dass eingedeckte Pferde acht Prozent weniger Heu fressen als Pferde ohne Decke. Das ist aber kein Grund, weniger Heu zu füttern! Denn im Winter steigt der Energiebedarf beim Pferd um zehn Prozent, was den Heu-Spar-Effekt durch die Decke aufwiegt“

Dr. Kathrin IrgangTierärztin und Fütterungsexpertin

Heu hat gerade im Winter, wenn bei Sportpferden der Alltag oft zwischen Box und Reithalle abläuft, viele Vorteile für Kopf und Körper. Irgang zählt auf: „Es bietet Pferden Beschäftigung, befriedigt ihr Kaubedürfnis, fördert den Zahnabrieb und die Durchfeuchtung des Futters, puffert Magensäure, sorgt für guten pH-Wert im Dünndarm und stabilisiert das Milieu im gesamten Verdauungskanal.“

Im Winter ist die durch Heu ausgelöste Fermentation im Dickdarm die Hauptenergiequelle, denn Heu füttert die Darmbakterien und heizt dem Darm ein. Diese Wärme spürt das Pferd zwar nicht, aber sie wird in den Gesamt-Energiehaushalt eingespeist, der im Winter für die Thermoregulation mehr Energie aufwenden muss, um Körpertemperatur und -funktionen stabil zu halten.

1 bis 2 Kilogramm Kraftfutter pro Tag für junge Sportpferde

Während Heu für viele Freizeitpferde im Winter als Energiequelle reicht aufgrund meist reduzierten Trainings, brauchen Sportpferde rund ums Jahr zusätzlich Kraftfutter zur Ergänzung der Grobfutterbasis. „Allerdings muss man sich auch bei Sportpferden anschauen, wie groß Leistung und Beanspruchung überhaupt sind, denn das überschätzen viele Reiter“, sagt Kathrin Irgang.

„Ich frage immer: Galoppiert Ihr Pferd denn auch mal zwei Lieder am Stück durch, während in der Reithalle das Radio läuft? Alles darunter ist noch keine Leistung fürs Pferd, wenn man allein den Futterbedarf betrachtet. Wenn ein junges Sportpferd eine Stunde lang gearbeitet wird, sollten 20 bis 30 Minuten Schritt dabei sein, zehn bis 15 Minuten Trab, und es wird auch ein paarmal galoppiert“, so Irgang. „Dafür reichen ein bis zwei Kilo Kraftfutter pro Tag aus.“

Wichtig ist, mit dem Kraftfutter den Proteinbedarf zu decken bei hoher Verdaulichkeit. Kathrin Irgang bevorzugt deshalb Hafer, den Klassiker im Pferdetrog. „Wer Mais und Gerste füttern möchte, bitte nur hydrothermisch aufgeschlossen als Flocken.“ Beim Hafer kann mechanisches Quetschen die Verdaulichkeit fördern, das muss aber nicht standardmäßig sein, sofern das Pferd keine Zahnprobleme hat.

Gut zu wissen

Wenn Hafer gequetscht wird, bitte immer frisch füttern; also höchstens einen Tag liegen lassen.

Irgang empfiehlt dafür den simplen Spatzen-Check: „Schauen Sie sich an, ob im Pferdekot noch viele ganze Haferkörner stecken. Und achten Sie zusätzlich darauf, ob es im Stall viele Vögel gibt, erkennbar an mit Vogelkot verschmutzten Tränken, Trögen oder Boxenwänden. Das ist meist ein Alarmzeichen, dass Sie mit dem Hafer eher die Spatzen füttern als das Pferd.“

Erst dann ist es auch sinnvoll, den Hafer zu quetschen. Wenn Hafer gequetscht wird, immer frisch füttern; also höchstens einen Tag liegenlassen. Das gilt auch im Winter, obwohl die Gefahr des Verderbs bei Kälte nicht so groß ist wie in warmen Monaten. 

Wichtig im Winter: Die nutriologische Nährstoffbalance

Was brauchen Pferde im Winter noch zusätzlich für eine gute Nährstoffbalance, die gegen Erkältungen, Infekte und Entzündungen schützt? An erster Stelle nennt Kathrin Irgang die fettlöslichen Vitamine A (für den Epithelschutz der Schleimhäute und somit die Immunabwehr) und E (als Antioxidans und Zellschutz vor allem bei entzündlichen Prozessen).

„Die Zufütterung der fettlöslichen Vitamine A, D und E ist im Winter wichtig, weil deren natürlicher Gehalt im Heu durch die Lagerung abnimmt und dem Pferd im Winter kein Gras zur Verfügung steht.“

Dr. Kathrin IrgangTierärztin und Fütterungsexpertin

B-Vitamine (B5 = Pantothensäure, B6 und B9 = Folsäure) sind nach neuesten Erkenntnissen der Pferdefütterungsforscher ebenfalls wichtig für ein stabiles Immunsystem, weil sie in enzymatisch gesteuerten Stoffwechselprozessen bei der Zellabwehr und der Regeneration ihre Rollen spielen. Da B-Vitamine wasserlöslich sind, kann das Pferd sie nicht speichern, sondern synthetisiert sie im Darm. Ein gezielter Zusatz über das Futter kann Defizite verhindern oder auffüllen. 

Vitamine und Mineralfutter auch für Sportpferde nie überdosieren

Im Winter rät Futterexpertin Kathrin Irgang, die Versorgung mit den Spurenelementen Kupfer, Zink und Selen für eine funktionierende Infektvorbeugung und Entgiftung zu kontrollieren. „Sinnvoll ist es allerdings gerade bei den Spurenelementen, aber auch bei den fettlöslichen Vitaminen, die sich im Pferd anreichern, nicht aus zu vielen Quellen alle möglichen Vitamine, Mengen- und Spurenelemente ins Pferd zu bringen“, sagt Kathrin Irgang.

„Man muss genau schauen, was welches Zusatzfuttermittel bereits mitbringt und was das jeweilige Pferd überhaupt braucht. Gerade bei Vitamin A und D oder bei Selen wird die Dosis sonst schnell zu hoch. Und bei einer dreifachen Überdosierung solcher an sich leistungsrelevanter Nährstoffe stellt ein Sportpferd seine Leistung eher ein, als dass es mehr bringt.“

Gut zu wissen

Vitamin, Mengen- und Spurenelemente bitte nicht aus zu vielen Quellen ins Pferd bringen!

Bei Shosho im Dressurzentrum Aubenhausen stehen daher nicht zig Dosen und Eimer mit Zusatzfutter in der Futterkammer, sondern ein nutriologisches Mikronährstoff-Kombiprodukt.

Dass wir unsere Pferde über Obst und Gemüse nutriologisch gesund über den Winter bekommen, ist eher im Reich der Mythen und Märchen anzusiedeln. „Äpfel, Karotten und anderes Saftfutter sind völlig in Ordnung, wenn man nicht mehr als 0,5 bis ein Kilogramm pro Warmblutpferd und Tag füttert. Es ist toll fürs Pferd, weil im Trog etwas poltert, und es enthält Pektin, das ist in Maßen gut für den Darm.“

Andere leckere Modefutter wie etwa getrocknete Hagebutten sind für Dr. Irgang eher eine Belohnung, aber kein Booster, um zum Beispiel Vitamin C in ein Pferd zu bringen, das 500 Kilo wiegt. „100 Gramm Hagebutten enthalten 0,5 bis ein Gramm Vitamin C. Ob das was nützt… Jedenfalls ist es als Leckerli aus der Hand gefüttert gesünder als Brot.“   

Shoshos Winterfutter-Ration

Heu
(lose vom Boden vorgelegt, Box ist satt mit Stroh eingestreut)
3 Kilogramm morgens
3 Kilogramm mittags
6 Kilogramm abends

Hafer, ungequetscht
(aktuell reduziert, weil Shosho im Training etwas flegelig wurde) 
750 Gramm (3x täglich 500 Milliliter, halbe Futterschippe, Litergewicht Hafer: 0,5 Kilogramm pro Liter)

Mash
200 Gramm abends mit lauwarmem Wasser angerührt
temporär: individuelle Hustenkräutermischung (Thymian etc.), da Shosho bei anstrengendem Training etwas schwerer atmet.

Saftfutter
5 Karotten mit 30 Milliliter Leinöl

Mikronährstoffkonzentrat
3 Messlöffel (75 Gramm)

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