Pferde kommen aus der Steppe und haben ursprünglich nur Gras gefressen. Auch in den Genen von Stute Shosho schlummert noch die Vorliebe für dieses natürlichste Futter. Klingt logisch. Aber wie baut man das Lieblingsfutter Gras und den Lieblingsfressplatz im Alltag ein, wenn wir gesund anweiden wollen?
Das Schlüsselwort heißt gesund anweiden oder angrasen. Mit diesem schonenden Prozedere, das beim Pferd jedes Frühjahr ansteht, verliert Gras seinen Schrecken, den es leider für viele Reiter heute hat: Sie fürchten sich vor der im Gras üppig enthaltenen Zuckerart Fruktan, der Hufrehe auslösen kann, vor der angeblich träge machenden Nährstoffwucht des Grases und auch davor, dass ihr wertvolles Pferd sich womöglich beim Weidegang verletzt.
Natürlich gibt es wie immer rund ums Pferd nie 100-prozentige Sicherheit, dass nichts passiert. Die wohltuende Wirkung von Weidegang und Grasfressen auf die Psyche, den Bewegungsapparat, auf Verdauung und Allgemeinzustand sind jedoch so überwältigend, dass jedes Pferd die Chance dazu haben sollte, sofern sein Gesundheits- und Gewichtszustand es irgend zulässt.
„Nach getaner Arbeit gehen wir am Halfter auf die Wiese zum Abgrasen, kurz vor der Koppelsaison immer ein bisschen länger.“
Zuhause bei Shosho im Dressurzentrum Aubenhausen gehört Koppelgang auf den großen Weiden deshalb für alle Pferde vom jungen Berittpferd bis zum Grand-Prix-Crack zum Alltag. In diesem Jahr gehen sie von April bis in den Herbst auf die Weide; jeden Morgen zwei bis drei Stunden.
Zum Alltag gehört auch, dass Shosho wie ihre Stallkumpel fast das ganze Jahr über grasen darf. So wird aus dem ganzjährigen Abgrasen im Frühjahr nahtlos das Angrasen, und so geht gesund anweiden ganz einfach, erzählt Shoshos Betreuerin in Aubenhausen, Yvonne Baumgärtner.
Weil Sicherheit auch beim Thema Weide von Wissen abhängt, hier zunächst die wichtigsten Fakten über Gras und Fruktan. Über diesen leicht wasserlöslichen Speicherzucker in der Graspflanze, der zu den Fructooligosacchariden (FOS) zählt, haben Forscher in den vergangenen Jahren einiges herausgefunden, was das Risiko kalkulierbarer und gesundes Anweiden sicher macht.
Die Graspflanze gewinnt Fruktan tagsüber über die Photosynthese, also die Umwandlung von Wasser und Kohlendioxid in Zucker mit Hilfe von Licht und dem Blattgrün Chlorophyll. Je nach Wetter mobilisiert die Pflanze den Zucker sofort als Energie für ihr eigenes Wachstum oder lagert Fruktan als Reserve ein und wartet mit dem Wachsen, bis sich das Wetter bessert.
Entscheidend ist es deshalb für Pferdebesitzer, das sogenannte Fruktanwetter einschätzen zu lernen: Ist es feucht, eher bedeckt und moderat warm, gilt grünes Licht für Weidegang, denn das sind optimale Wachstumsfaktoren für Gras, das jetzt sein Fruktan verbraucht.
Wie viel Fruktan es dazu braucht, hängt sehr stark von den Vorerkrankungen des Pferdes ab. Forscher vermuten nämlich heute, dass Fruktane gar nicht die direkte Ursache für Hufrehe sind, sondern der Auslöser, wenn das Pferd bereits vorbelastet ist durch Fettleibigkeit und Stoffwechselprobleme: Equines Metabolisches Syndrom (EMS), Insulinresistenz, Equines Cushing Syndrom. Das Fruktan im Weidegras könnte dann der Tropfen sein, welcher das Fass bei diesen Pferden zum Überlaufen bringt.
Wenn Pferde anfällig sind für Kolik oder Hufrehe, ist beim Anweiden und generell bei der Entscheidung „Koppel ja/nein, und wie lange?“ daher besondere Vorsicht geboten. Falls Patienten mit EMS oder Cushing auf die Weide dürfen, erfolgt der Zeitplan in Absprache mit dem Tierarzt und wird auf Fütterung und Medikamente abgestimmt.
60 Prozent aller Pferde gehören zur Risikogruppe der Fettleibigen, die durch energiereiche deutsche Turbograssorten in großen Mengen überfordert sind, schätzen Experten.
Betroffen sind vor allem leichtfuttrige Robust- und Spezialrassen, die meist weniger stark gearbeitet werden und genetisch bedingt gute Futterverwerter sind.
Auch bei Dressur- und Westernpferden gibt es zunehmend dicke Exemplare, was EMS als eine Art chronische Entzündung im Körper begünstigt. Sie wird durch Gewebshormone verursacht, die von Fettdepots freigesetzt werden und den Stoffwechsel blockieren. Wird diese Stoffwechselblockade chronisch, bekommt das Pferd eine Insulinresistenz. Genau bei diesen Pferden ist gegenüber energiereichem Gras Vorsicht geboten.
Weil wir außerdem wissen, dass auch die Fruktanmenge im Gras extrem schwankt – Forscher an der Tierärztlichen Hochschule Hannover fanden heraus, dass im Frühjahr und Herbst die Fruktanwerte im Weidegras höher sind als im Sommer, und dass die Werte innerhalb eines Monats um den Faktor 8 schwanken können –, sollten wir als Pferdebesitzer wachsam sein und für ein gesundes Anweiden die Weidezeiteinteilung, das Wetter sowie das individuelle Pferd im Auge behalten.
Weil Pferdeweiden je nach Wetter meist Mitte April zum ersten Mal gedüngt werden, ist es sowohl für das Grasen an der Hand als auch für den Weidestart wichtig, nach dem Düngen genügend Zeitpuffer zu lassen.
Die Düngerkügelchen müssen sich aufgelöst haben, dazu braucht es kräftige Regengüsse, die den Dünger an die Graswurzeln spülen. Sonst hat er keine Chance, in der Pflanze zu wirken, zum anderen fressen die Pferde den Dünger und nehmen zu viel Nitrat auf.
Möchten wir gesund anweiden, ist es zum Start in die Koppelsaison wichtig, das Go des Stallbetreibers abzuwarten: Je nach Wetter, Pflege und Boden der Pferdeweide (eher mager oder eher humusreich) wächst das Gras früher oder später zu einer stabilen Grasnarbe und erlaubt schonende Koppelnutzung.
Brauchen auch Weidepferde zusätzlich noch ein Mineralfutter? Oder ist im Gras alles Lebenswichtige drin, was im Heu fehlt? Shoshologisch-Fütterungsexpertin Dr. Kathrin Irgang erläutert, was im Gras passt und was fehlt.
„Einige Stunden Weide täglich reichen definitiv nicht aus, um zu einer Grundration aus Heu und Getreide den Bedarf an Mineralien und Vitaminen zu decken“.
Als Supplementierung zusätzlich zum Gras empfiehlt Dr. Kathrin Irgang:
Dr. Bianca C. Schwarz, DipECEI, ist europaweit renommierte Pferdeinternistin und unsere Shoshologisch-Expertin für alle inneren Erkrankungen von Atemwegen bis Zwerchfell sowie für allgemeine gesundheitliche Themen. Symptome erkennen, Parameter richtig deuten und dabei kleinste Details zu ermitteln, ist für sie akribische Detektivarbeit in der differenzierten Diagnostik und kompetenten Befundung medizinischer Probleme. Dr. Schwarz berät Pferdebesitzer und Ärztekollegen, erstellt Gutachten und hält Vorträge. www.pferdeinternist.de
Die Veterinär-Physiotherapeutin behandelt Shosho und ihre Sportpferdefreunde in Aubenhausen nicht nur körperlich, sie hilft ihnen mit Verladetraining auch, gelassen in den Hänger zu gehen. An der Aberystwyth-University legte sie den Bachelor in Equine Sciences ab, an der Middlesex University den Master in Veterinary Physiotherapy. Seit 2014 ist sie selbstständig tätig: www.pauline-nachbauer.com
Die Dressurreiterin, Mutter von Jessica und Benjamin Werndl, prägt mit ihrer positiven Ausstrahlung die Atmosphäre in Aubenhausen. Aus ihrer Liebe zu Pferden und zum Yoga gründete sie die Yoga-Schule www.self-ish.de und coacht Spitzenreiter auf dem Weg zur Harmonie mit ihren Pferden. Außerdem engagiert sie sich im Deutschen Kuratorium für Therapeutisches Reiten DKThR e.V. und ermöglicht behinderten Menschen Reitunterricht.
Der Pferdezahnspezialist ist Tierarzt mit Zusatzbezeichnung und Weiterbildungsermächtigung Zahnheilkunde, außerdem Equine Veterinary Dentist (SVA). Er betreibt eine Tierärztliche Gemeinschaftspraxis im bayerischen Warngau mit Dentalzentrum in Lenggries, betreut alle Pferde im Dressurzentrum Aubenhausen und ist Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Tierzahnheilkunde. www.herold-simon.de
Dr. Gabriele Alber ist Agrarwissenschaftlerin und seit Januar 2019 stolze Besitzerin von Hannoveranerstute Shosho (MV: Riccione, V: Sir Donnerhall). Sie gab der Stute den Namen Shosholoza (südafrikanisch „Aufbruch“). Neben Shosho gehört noch der 1997 geborene Wallach David zur Pferdefamilie. Gabriele Alber wuchs mit Pferden auf und ritt Dressur bis Klasse S. 1998 gründete sie die Manufaktur navalis® nutraceuticals, die sie bis 2021 führte. Heute ist sie selbstständig beratend im Bereich Pferdeernährung und Produktentwicklung tätig.
Benjamin Werndl ist Head Coach von Shosho und leitet das Dressurzentrum „HOME of the DRESSAGE HORSE“ im bayerischen Aubenhausen mit seiner Schwester Jessica von Bredow-Werndl. Der Träger des Goldenen Reitabzeichens zählt zu den Top Ten der Dressur-Weltrangliste und zum deutschen Olympiakader. Mit neun Jahren bekam Benjamin Werndl www.benjamin-aubenhausen.de sein erstes Pony und wollte erst Springreiter oder Skirennfahrer werden, bevor er 2002 als Vize-Europameister und Deutscher Meister der Jungen Reiter seine Dressurkarriere startete.
Eilika Böye trainiert die Stute Shosho täglich und gehört seit Juli 2019 zum Team Aubenhausen www.aubenhausen.de, wo sie sich vor allem um die Dressurausbildung der jungen Pferde kümmert. Die Pferdewirtin Schwerpunkt Reiten, ausgezeichnet mit der Stensbeck-Plakette, war auch im Springen bis Klasse S und in der Vielseitigkeit bis CIC* erfolgreich und als Bereiterin unter anderem auf dem Hof Kasselmann tätig.
Yvonne Baumgärtner kümmert sich ganzheitlich um Shosho von der täglichen Pflege über Erziehungsfragen bis hin zum Füttern morgens, mittags und abends. Seit Dezember 2018 gehört sie zum Team Aubenhausen. Yvonne koordiniert Shoshos Gesundheitsmanagement, wacht darüber, dass es ihr gut geht und kennt ihre Futtervorlieben ebenso wie Shoshos Eigenheiten als Pferdepersönlichkeit.
Dr. Kathrin Irgang berät Pferdebesitzer umfassend in Fütterungsfragen und unterstützt „ShoshoLogisch“ als Expertin. Nach dem Studium der Veterinärmedizin spezialisierte sich die Tierärztin mit Zusatzbezeichnung Ernährungsberatung (Kleintiere) www.tierarzt-ernaehrung.de im Jahr 2000 auf computergestützte Rationsberatung und Diätetik für Pferde. Ihr Leitmotto: „Gut gefüttert heißt noch nicht optimal ernährt.“
Online-Chefredakteurin Christine Felsinger ist studierte Biologin und Journalistin. Sie besitzt zwei Pferde, geboren 1997 und 2022, und verantwortet seit 1998 Fachmedien zum Thema Pferd. Heute als freie Journalistin, Bloggerin und Kommunikatorin tätig, leitete sie viele Jahre das Reitsportmagazin Cavallo, konzipierte unter anderem das Bookazin "ReitKultur", den Ernährungs-Blog www.freundpferd.de und den Pferdegesundheits-Blog „ShoshoLogisch“. In der Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft um das Pferd e.V. www.pferd-forschung.de ist sie Vorstandsmitglied.
Maresa Mader hat ihre Hobbys Pferde, klassische Dressur und Fotografie zum Beruf gemacht www.maresamader.com. Die Diplom-Designerin und Reiterin ist die Kamerafrau bei ShoshoLogisch. Sie fotografiert die Harmonie zwischen Pferd und Reiter seit 2010 mit viel Gefühl und gutem Auge – und freut sich, dass die fotogene und talentierte Stute Shosho ihr als Model so viel Spielraum für Motive und Momente bietet.
Miriam Reichel studierte Jura, hat ein Pferd, dass sie momentan in Klasse M in der Dressur vorstellt und zwei Hunde. Sie leitet zwei Verlage und hat zahlreiche Bücher und Artikel herausgegeben. Nebenbei spricht sie auf Krebskongressen zum Thema Heilung und Ernährung. www.miriam-reichel.com