Husten vorbeugen: Atemwege und Immunsystem

Shosho mit ihrer Ausbilderin Eilika Böye auf einem Sandweg. Es ist neblig. Beide sind von hinten zu sehen, Eilika Böye dreht sich zum Betrachter um. Tägliche Bewegung an der frischen Luft ist gut für die Atmung.
Der tägliche Gang an die frische Luft lässt Pferde frei durchatmen und fördert keine Erkältung, wie manche Reiter glauben.

Das Pferd atmet schwer, stößt beim Antraben kurz an oder hustet: Solche Erkrankungen der oberen oder unteren Atemwege können hartnäckig bis chronisch werden, wenn man sie nicht fachgerecht behandelt. Bei Pferden wie Stute Shosho, die sportliche Leistung bringen sollen, ist es besonders wichtig, dass Kehlkopf, Luftröhre und Lunge gesund und funktionstüchtig bleiben. Worauf kommt es an, damit wir Husten vorbeugen und das Immunsystem fit machen?

Die Atemwege sorgen als Frischluftschneise im Pferdekörper dafür, dass der Organismus über die Schnittstelle zwischen Lungenbläschen, den Alveolen, und mikrofeinen Blutgefäßen, den Kapillaren, mit Sauerstoff versorgt wird. Sauerstoff ist der Treibstoff im Pferdekörper und befeuert alle Verbrennungs- und Vitalprozesse in Muskeln, Organen und Gehirn.

Erstes Alarmzeichen: schweres Atmen

Pferde bewegen ohne zu belasten: Leichter Trab ist wichtig, um den Kreislauf schonend in Gang und Luft in die Lunge zu bringen. Das ist bei Husten wichtig.

Das Betreuerteam im bayerischen Dressurzentrum Aubenhausen wird deshalb hellhörig, wenn ein Pferd auch nur angestrengter atmet. Bei Shosho hören Betreuerin Yvonne Baumgärtner und Bereiterin Eilika Böye kurze Zeit nach Ankunft der Stute im Mai 2020 ganz genau hin: Die fünfjährige Stute atmet beim Reiten schwerer als üblich und stößt deutlich hörbar Luft aus. In gut gemanagten Ställen wie Aubenhausen ist das ein Fall für den Tierarzt.

Dann tritt Dr. Rüdiger Brems, Gründer der Pferdeklinik im benachbarten bayerischen Wolfesing, auf den Plan respektive auf den Hof. Der erfahrene Fachtierarzt für Pferde und FEI-Tierarzt betreut den Stall der Familie Werndl seit vielen Jahren medizinisch

Er kümmert sich auch um die Ausbildungspferde und kennt Risikofaktoren und Kinderkrankheiten, die einem jungen Pferd wie Shosho auf Kehlkopf, Lunge und damit auch auf die Leistung schlagen können. „Wenn ein Pferd schwer atmet oder sogar zwei-, dreimal beim Antraben kurz abhusten sollte, ist das noch nichts Schlimmes, aber es ist ein Alarmzeichen. Ich möchte das grundsätzlich abklären und wenn nötig direkt behandeln“, sagt Dr. Brems.

Stallwechsel und Transporte bedeuten Stress

Die Gesundheit junger Pferde verdient besondere Aufmerksamkeit. Denn ihr Immunsystem ist durch Ausbildung, häufige Stallwechsel, erste Turnierprüfungen und damit verbundene Transporte besonders gefordert. Die Sorge um die Gesundheit junger Pferde sollte jedoch nicht in Überbehütung umschlagen. Darin ist Dr. Brems sich einig mit Kinderärzten aus der Humanmedizin, die in Studien nachgewiesen haben:

Kinder entwickeln später weniger Allergien (= fehlgeleitete Reaktionen des Immunsystems), wenn sie auch mal im Dreck spielen dürfen, auf dem Bauernhof aufwachsen und nicht täglich gebadet werden. Am besten kommen sie schon in der Kita von Durchfall bis Schnupfen mit verschiedenen Keimen in Berührung, die ihnen harmlose Infektionen bescheren und das Immunsystem ordentlich beschäftigen.

Denn das Immunsystem ist nur dann fürs Leben gefeit, wenn es seine Waffen auch einmal in Stellung bringen muss. Auch das müssen wir beachten, wenn wir Husten vorbeugen möchten. „Eine gewisse Konfrontation mit Keimen in verschiedener Umgebung sollten Pferde schon mitmachen, denn grundsätzlich gilt bei jungen Pferden genau wie bei Kindern: Alle Viren, Bakterien und Infektionen von ihnen fernhalten zu wollen, wäre nicht der richtige Weg“, sagt Fachtierarzt Dr. Brems.

Müssen Pferde Erkältungen durchmachen?

Shosho im Solarium: Wärme fördert das Wohlbefinden und trocknet rasch das ungeschorene Fell. Das ist wichtig, damit Viren und Husten keine Chance haben.

Oder müssen wir sie davor schützen? „Beides ist richtig. Wir sollten einem Pferd wie Shosho in Stresssituationen, also Ausbildung, Stallwechsel oder auch Wettkampfbelastung helfen, seine Abwehr gut aufzustellen“, antwortet Dr. Brems. Und damit meint er etwa die Vorbereitung der Immunabwehr durch Immunstimulanzien wie Echinacin. Es wird aus der Echinacea-Pflanze gewonnen und ist in vielen phytotherapeutischen Arzneien enthalten. Auch Vitamin C nutzt Tierarzt Brems, als Injektion (20 Milliliter/Tag) oder oral als Ascorbinsäure (zwei bis drei Gramm/Tag). „An sich kann das Pferd Vitamin C selbst im Darm erzeugen“, sagt er. „Aber durch hoch dosierte Substitution kann man gezielt immunaktivierend unterstützen.“

Auch eine andere Therapie hat sich bewährt, um Killerzellen im Körper zu stimulieren und unspezifische antivirale Reaktionen auszulösen: Dr. Brems spritzt dem Pferd zwei- bis dreimal im Abstand von je drei Tagen einen sogenannten Paramunitäts-Inducer, der abgetötete Pockenviren enthält. „Viele unserer Turnierreiter machen das, wenn sie ihre jungen Pferde für Turniere vorbereiten“, sagt Brems. „Denn Turnier ist nicht nur sportliche Höchstleistung für Körper und Psyche, sondern heißt auch Ortswechsel und Transport. Das ist das eigentlich Belastende für den Organismus.“

Die Ausbildung als solche sollte, sofern nach Plan und mit Geduld und Zeit durchgeführt, für das Immunsystem junger und erwachsener Pferde kein allzu großer Stress sein. „Es gilt die Grundregel: Anforderungen im Training langsam steigern, damit der Körper sich anpassen kann. Immer ein paar Tage auf demselben Level trainieren, von da aus weiter erhöhen“, nennt Brems das Mittel gegen übermäßigen und damit ungesunden Trainingsstress. 

Diagnose: Shosho hat eine Kehlkopfreizung

Bei Shosho ist der Tierarzt im Sommer 2020 nicht allzu beunruhigt. Die Untersuchung mit Fiebermessen, Prüfen auf Nasenausfluss und Abhören der Lunge ergibt eine leichte Kehlkopfreizung. Die Lunge ist noch sauber und nicht verschleimt.

Auf frischer Tat ertappt, kann Dr. Brems das Immunsystem im Kampf gegen die eingedrungenen Erkältungsviren sofort mit einer Eigenbluttherapie unterstützen, die auf körpereigenen und pflanzlichen Substanzen basiert. Auch damit kann der Mediziner Husten vorbeugen. Dazu entnimmt er Shoho venöses Blut, mischt es mit einem homöopathischen Präparat und injiziert die Mischung vier Mal über zwei Wochen hinweg.

Auch Immunstimulanzien und Phytotherapeutika, die oral, also ins Maul, verabreicht werden, verordnet Dr. Brems häufig je nach Symptomen. Die Präparate beruhigen gereizte Schleimhäute und Kehlkopf, helfen dem Immunsystem, erweitern die Bronchien und erleichtern das Abhusten von Schleim.

Beim Einsatz einer solchen Phytotherapie und auch dem Füttern von Kräutern gegen Atemwegsprobleme sind Reiter gut beraten, sich mit medizinischen Experten abzustimmen, denn Husten vorbeugen ist ein Fall für den Experten.

Bitte Hustenkräuter nicht auf eigene Faust füttern

„Wichtig ist, dass man über die wirksame Dosis und die richtige Kombination von Kräutern Bescheid weiß. Und beides hängt entscheidend von der Qualität der Ursprungspflanze, ihrer schonenden Verarbeitung und der fachgerechten Lagerung ab. All dies entscheidet darüber, wie viel Wirkstoff in den Kräutern noch enthalten sind, bis sie im Futtertrog ankommen“, sagt Shoshos Besitzerin Dr. Gabriele Alber, die sich als Agrarwissenschaftlerin seit fast 30 Jahren mit Ernährungsmedizin und Futterentwicklung beschäftigt. Dazu gehört die Beratung von Reitern, die Husten vorbeugen möchten.

„Wichtig ist, dass man über die wirksame Dosis und die richtige Kombination von Kräutern Bescheid weiß.“

Dr. Gabriele Alber, mit Ihrer Dressur-Nachwuchsstute Shosholoza. Foto: Maresa Mader
Dr. Gabriele AlberAgrarwissenschaftlerin

Auch Tierärzte und Fütterungsexperten wie Dr. Kathrin Irgang schätzen Kooperationen zwischen Ernährungswissenschaft und Medizin, bei denen die Gesundheit des Patienten im Mittelpunkt steht. „Medizinisch überwachte Phytotherapie ist sinnvoll, und es gibt etliche Kräuter, mit denen man richtig kombiniert unterstützen und Husten vorbeugen kann“, sagt Dr. Irgang, ShoshoLogisch-Expertin mit eigener Beratungspraxis in Berlin. „Aber Kräuter ersetzen in der Pferdeernährung weder die korrekte Bedarfs- und Rationsanalyse, und man kann damit keine schlechte Heuqualität kompensieren.“

Hustenursachen: Staub im Stall, Schimmel im Heu

Wenn das Heu staubt, weil darin die Schimmelpilze Samba tanzen, sind Heilkräuter und Tierärzte gegen den Husten beim Pferd machtlos. Ein weiterer hustenfördernder Faktor neben zu viel Staub ist zu wenig Luft. Experten wie Dr. Brems raten deshalb: auch im Winter Stalltüren und Fenster geöffnet lassen, damit wir Husten vorbeugen.

Kräuter im Futter können helfen, die Bronchien zu erweitern, Schleim zu lösen und das Durchatmen zu erleichtern.

„Kein Pferd wird wegen frischer Luft und Kälte krank, sondern eher wegen Ammoniak im Stall, der als Reizgas die Lunge schädigt“, so Dr. Brems. „Niedrige Temperaturen im Winter gleicht man besser mit dem Eindecken der oft geschorenen Sportpferde aus, nie mit dem Schließen der Fenster.“

Gut zu wissen

So wichtig die medizinische Diagnose und Therapie gegen Husten beim Pferd sind daher die Ursachensuche und gutes Stallmanagement.

Hustet ein Pferd nach Stallwechsel

  • weil der Transport, die neue Umgebung und der Kontakt mit ungewohnten Keimen zu Stress führt?
  • weil die Luft im neuen Stall schlecht ist?
  • weil die Futterhygiene nicht in Orndung ist?

Um die letzten beiden Faktoren auszuschließen, lauten die Empfehlungen der ShoshoLogisch-Experten zur

Vorbeugung und Hilfe gegen Husten

  • Ammoniak und Staub im Stall, im Futter und in der Reithalle vermeiden
  • Heu sollte aromatisch riechen
  • Heu muss frei von Schimmel, Erde, Käfern und Milben sein
  • Gutes Heu fühlt sich trocken an
  • Falls Heu bei Allergikern gewässert wird: Heunetz 30 Minuten ins Wasser tauchen
  • Auch im Winter für frische Luft im Stall sorgen: Fenster aufmachen
  • Pferde regelmäßig moderat bewegen, so oft wie möglich im Freien

„In Aubenhausen ist das Stallmanagement sehr gut“, sagt Dr. Brems, der deshalb bei Shosho direkt mit der Therapie beginnen kann. Bei der Nachuntersuchung drei bis vier Wochen später ist er zufrieden – Befund „jungfräulich in der Lunge“. Die Nachuntersuchung ist wichtig, denn bei verschleppten Atemwegsinfekten drohen Spätfolgen.

Denn die Lunge ist ein hoch sensibles Organ. „Sie neigt bei Infekten zu überschießenden Reaktionen, mit denen sie sich sogar selbst schädigen kann. Das Resultat ist, dass der für das Auswerfen des Schleims wichtige Husten sehr heftig wird. Wenn dann noch Faktoren wie schlechte Luft hinzukommen, wird er auch schnell chronisch“, sagt Dr. Brems.

Er rät deshalb, gerade bei Sportpferden die Entwicklung und Heilung einer vermeintlich harmlosen Erkältung genau zu überwachen. „Chronischer Husten beeinträchtigt immer die Leistung, und von chronisch sprechen wir schon nach vier bis sechs Wochen.“    

Shosho bleibt zum Glück vom Husten verschont. Dennoch die Frage an den Experten: Dürfte ein Sportpferd ins Training, wenn es hustet? „Kommt darauf an, ob es Fieber hat und wir stark es hustet“, antwortet Dr. Brems. Regelmäßige Bewegung ist grundsätzlich wichtig für die Belüftung der Lunge und für die Heilung. Bei einem leichten Infekt wie Shosho ihn hatte, muss sich der Reiter jedoch keine Sorgen machen, dass er mit leichter Arbeit dem Pferd schadet.

Leichtes Training auch bei Husten ventiliert die Lunge

„Auf keinen Fall darf man ein hustendes Pferd so intensiv trainieren, dass es schwitzt. Die Lunge soll ventiliert sein, aber das Pferd sollte nicht hart atmen. Sonst inhaliert es Schleim und Keime noch tiefer in die Alveolen, wo die sich dann festsetzen“, warnt Tierarzt Dr. Brems. Sein Rat deswegen: „Galopp bitte nicht am Limit, je nach Schwere des Infekts auch ganz streichen. Wichtig ist viel Schritt, ein bisschen Trab und oft raus ins Freie reiten.“

Hilft Impfen dem Immunsystem?

Impfen gegen Influenza und Herpes ist für Sportpferde wie Shosho nicht nur Pflicht, sondern auch sinnvoll. Als Voraussetzung für die Teilnahme an Turnieren schreibt die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) Wiederholungsimpfungen alle sechs Monate vor.

„Auch mit einer Impfung aktivieren wir das Immunsystem“, sagt Dr. Rüdiger Brems und beruhigt Impfskeptiker mit den Fakten, dass sich Impfschäden bei Pferden im Promillebereich bewegen. „Die Erreger in den Influenza- und Herpesimpfstoffen sind abgetötet, und die Zuschlagstoffe in den modernen Impfstoffen sind so niedrig dosiert, dass das Risiko minimal ist.“

Sollte ein Pferd auf die Impfung mit Symptomen reagieren, ist das kein Grund zur Sorge: „Pferdebesitzer erschrecken zwar, wenn nach der Impfung auch mal Fieber bis zu 39 Grad auftritt. Aber das ist kein schlechtes Zeichen, denn wir wollen ja genau erreichen, dass das Immunsystem reagiert.“

Wenn Pferde vereinzelt sensibel reagieren, rät Brems, auf Kombiimpfstoffe zu verzichten und im Abstand von 14 Tagen einzeln gegen Influenza und Herpes zu impfen. Außerdem nutzt er für höhere Verträglichkeit in solchen Fällen auch den oben im Text beschriebenen unspezifischen Paramunitäts-Inducer – und zwar zwei- bis dreimal vor Applikation der spezifischen Influenza- oder Herpesimpfstoffe.  

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