Schreck am frühen Montagmorgen im Dressurzentrum Aubenhausen: Shosho, die junge Hannoveranerstute, hat eine Kolik wegen Darmverlagerung und liegt unruhig in ihrer Box. Dunkelkalter Winter, noch nicht 6.00 Uhr, doch im Pferdestall sind alle hellwach. Logisch, dass Shoshos Betreuer sofort den Tierarzt rufen, denn Kolik ist ein absoluter Notfall beim Pferd.
Auch Shoshos Besitzerin Dr. Gabriele Alber, die bereits als 14-Jährige zusammen mit ihren Eltern einen eigenen Pferdestall hatte und später dann Agrarwissenschaften studierte, kennt die Dramatik einer Kolik, weiß um das Risiko fürs Pferd und weiß es auch zu schätzen, dass die Stallmannschaft um ihre Stute in einem solchen Notfall unverzüglich entscheidet und handelt. Das bedeutet bei Kolik: Der Tierarzt muss her. Sofort.
„In solchen Notfällen ist klar, dass das Team in Aubenhausen den Tierarzt ruft, ohne mich erst informieren zu müssen“
„Das ist eigentlich für jeden gut gemanagten Pferdestall eine Selbstverständlichkeit, denn bei einer Kolik darf man wirklich keine Zeit verlieren“, findet Gabi Alber. Sie bangt um ihre geliebte Stute, mit deren Anschaffung und Ausbildung sie sich einen Traum erfüllt hat: „Wir haben alle um Shosho gezittert.“ Shosho ist an diesem frühen Wintermorgen sehr unruhig. Die Stute liegt in ihrer Box, schaut unruhig nach ihrem Bauch, ist aufgebläht, hat sichtlich Schmerzen.
Die Hoftierärztin der Fahrpraxis setzt sich sofort ins Auto für eine Extratour nach Aubenhausen, denn bei Kolik müssen alle für den Vormittag geplanten Patienten erst einmal warten. Ein Notfall wie die Kolik bei Shosho ist übrigens auch der Grund, weshalb wir im Alltag landauf, landab so oft auf unseren Pferdetierarzt warten müssen: Fast täglich, oft sogar mehrmals am Tag, wirft ein akut erkrankter Patient den schönsten Dienst-Fahrplan durcheinander und wird natürlich bevorzugt behandelt. Gut, wenn wir dafür Verständnis haben – schließlich könnte es jeden, auch das eigene Pferd, jederzeit treffen.
Paraffin und krampflösende Medikamente sind deshalb die ersten Mittel der Wahl, die die Tierärztin Shosho gibt. „Ohne diese Erstversorgung hätte man Shosho gar nicht verladen können, um sie in die Pferdeklinik zu fahren“, sagt Gabi Alber. Zur Fahrt in die Klinik entschließt sich das Team, weil die Tierärztin bei der Untersuchung des Darms vermutet: Es handelt sich nicht nur um eine Kolik durch Verstopfung, bei der der Tierarzt das angestaute Futter mit der Hand aus dem Darm räumen und über Medikamente die Darmtätigkeit (Peristaltik) wieder anregen kann. Vielmehr handelt es sich wohl um Kolik wegen Darmverlagerung. Hier könnte schlimmstenfalls eine Operation nötig werden.
„Nach dieser Untersuchung stellten wir fest, dass eine Operation zunächst nicht notwendig sein würde“, sagt Barbara Elmore. „Aber bei einer Verschlechterung des Zustandes kann sich das natürlich auch ändern, da ist die OP bei einer Kolik immer eine Option.“ Shosho zeigt in der Klinik nun auch keine Koliksymptome mehr. Sie bekommt einen Venenzugang gelegt, über den eine Infusion läuft.
Intramuskulär wird Shosho außerdem mehrmals ein Medikament gespritzt, das ihren Darm anregt, mehr zu arbeiten. Es handelt sich um den Wirkstoff Neostigmin, der zur Gruppe der Parasympathomimetika zählt. „Durch diese Anregung des Darms wird überschüssiges Gas auf natürlichem Wege nach draußen transportiert. Durch die zunehmende Bewegung rutscht der verlagerte Darm dann auch wieder an die richtige Stelle“, so Tierärztin Elmore.
Schlimmstenfalls könnte Shoshos Darm sich weiter verlagern und auch drehen. Dann würde eine Kolikoperation notwendig. „Dies ist eine der schwersten Operationen, die bei einem Pferd durchgeführt werden können“, sagt Barbara Elmore. „Das Risiko, dass der Patient diese OP nicht überlebt, ist immer gegeben, bei einem jungen, ansonsten gesunden Pferd freilich deutlich geringer, als bei einem älteren Patienten mit verschiedenen Vorerkrankungen.“
Kolik wegen Darmverlagerung, Verschlingung oder Verdrehung: Was ist der Unterschied? Verlagerungen sind Lageveränderungen in der Horizontalen, Verschlingungen und Verdrehungen sind Verlagerungen horizontal und vertikal. Bei den letzteren beiden wird die Blutzufuhr zu betroffenen Darmteilen stark eingeschränkt, und der Zustand wird sehr viel schneller sehr viel schlechter.
„Einer Kolik wegen Darmverlagerung gehen sehr häufig Tympanien, also Aufgasungen, voraus“, erläutert Tierärztin Elmore. „Durch die physikalischen Eigenschaften des Gases steigt der Darm auf und kann sich dann auch von der Lage her verschieben. Aufgasungen entstehen entweder durch zu viel Produktion von Gas, etwa bei Aufnahme von Futter, welches die Gasbildung begünstigt und zu einer Dysbakterie führt. Oder auch durch zu langsamen Abtransport von Gas, was oft der Fall ist, wenn der Darm nicht aktiv genug ist und weniger Peristaltik zeigt.“
Warum es bei Shosho am frühen Montag zu einer solchen Kolik wegen Darmverlagerung kam, der vermutlich eine Aufgasung voran ging, lässt sich nicht sagen. „Möglicherweise hat es damit zu tun, dass das Wetter kälter geworden ist, nachdem der Winter anfangs eher sehr mild war“, vermutet Barbara Elmore. „Bei Kälte ist manchmal die Darmaktivität etwas geringer, das Wasser ist kälter, die Pferde haben etwas weniger Durst und trinken deshalb weniger. Eine eindeutige Ursache können wir aber hier nicht feststellen.“
Die beste Vorbeugung ist die artgerechte Fütterung: kurze Fresspausen (unter vier Stunden) beim Heu, kleine Portionen Kraftfutter, gerne mit Häcksel vermischt, damit die Pferde besser kauen. Immer sinnvoll zur Unterstützung der Darmmotorik: viel Bewegung, auch in Paddock und Führmaschine oder an der Hand.
Die siebenjährige Shosho erholt sich in der Pferdeklinik München-Airport zum Glück schnell und gut binnen 24 Stunden. Am nächsten Tag frisst sie bereits wieder normal, kann vom Aubenhausener Team abgeholt werden und steigt problemlos in den Transporter. „Shosho war bei uns in der Klinik sowieso sehr brav und umgänglich“, lobt Tierärztin Elmore. „Meist empfehlen wir, noch ein oder zwei Tage ein wenig Schonprogramm zu absolvieren. Danach können die Pferde wieder normal weiter trainiert werden.“
Die Herzfrequenz ist ein sehr guter Indikator dafür, wie schlimm der Zustand ist. Befindet sich die Herzfrequenz im Normbereich (28 bis 40 Schläge pro Minute) kann man das Pferd ein wenig beobachten und Mittel aus der Hausapotheke (zum Beispiel Colosan) eingeben.
Ist die Herzfrequenz höher als normal, bitte sofort den Tierarzt rufen. Bis zum Eintreffen des Tierarztes sollte man das Pferd in einen Bereich bringen, wo es sich selbstständig bewegen kann, wenn es das möchte, wo es sich aber auch hinlegen kann.
„Wir empfehlen, den Pferden diese Möglichkeit zu geben und auch zu erlauben, dass das Pferd sich hinlegt“, sagt Tierärztin Elmore. „Pferde suchen sich häufig Positionen, die den Druck von der Bauchwand nehmen. So hat der Darm wieder etwas mehr Platz, sich zu bewegen, wodurch die Kolik auch besser werden kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich dabei etwas zum Schlechteren verdreht oder verlagert ist genau so hoch, wie die Wahrscheinlichkeit, dass alles wieder auf seinen ursprünglichen Platz zurück rutscht.“
Pferde mit Kolik können im Schritt an der Hand bewegt werden, wenn sie willig mitgehen. Treiben oder gar longieren sollte man sie nur nach tierärztlicher Anweisung und nach der Untersuchung.
Das Pferd einzudecken, bringt keine Verbesserung. Ist die Koliksymptomatik sehr schlimm (häufiges Hinlegen, Wälzen, Aufstehen, Schwitzen), stellen Decken eher eine Verletzungsgefahr dar.
Dr. Bianca C. Schwarz, DipECEI, ist europaweit renommierte Pferdeinternistin und unsere Shoshologisch-Expertin für alle inneren Erkrankungen von Atemwegen bis Zwerchfell sowie für allgemeine gesundheitliche Themen. Symptome erkennen, Parameter richtig deuten und dabei kleinste Details zu ermitteln, ist für sie akribische Detektivarbeit in der differenzierten Diagnostik und kompetenten Befundung medizinischer Probleme. Dr. Schwarz berät Pferdebesitzer und Ärztekollegen, erstellt Gutachten und hält Vorträge. www.pferdeinternist.de
Die Veterinär-Physiotherapeutin behandelt Shosho und ihre Sportpferdefreunde in Aubenhausen nicht nur körperlich, sie hilft ihnen mit Verladetraining auch, gelassen in den Hänger zu gehen. An der Aberystwyth-University legte sie den Bachelor in Equine Sciences ab, an der Middlesex University den Master in Veterinary Physiotherapy. Seit 2014 ist sie selbstständig tätig: www.pauline-nachbauer.com
Die Dressurreiterin, Mutter von Jessica und Benjamin Werndl, prägt mit ihrer positiven Ausstrahlung die Atmosphäre in Aubenhausen. Aus ihrer Liebe zu Pferden und zum Yoga gründete sie die Yoga-Schule www.self-ish.de und coacht Spitzenreiter auf dem Weg zur Harmonie mit ihren Pferden. Außerdem engagiert sie sich im Deutschen Kuratorium für Therapeutisches Reiten DKThR e.V. und ermöglicht behinderten Menschen Reitunterricht.
Der Pferdezahnspezialist ist Tierarzt mit Zusatzbezeichnung und Weiterbildungsermächtigung Zahnheilkunde, außerdem Equine Veterinary Dentist (SVA). Er betreibt eine Tierärztliche Gemeinschaftspraxis im bayerischen Warngau mit Dentalzentrum in Lenggries, betreut alle Pferde im Dressurzentrum Aubenhausen und ist Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Tierzahnheilkunde. www.herold-simon.de
Dr. Gabriele Alber ist Agrarwissenschaftlerin und seit Januar 2019 stolze Besitzerin von Hannoveranerstute Shosho (MV: Riccione, V: Sir Donnerhall). Sie gab der Stute den Namen Shosholoza (südafrikanisch „Aufbruch“). Neben Shosho gehört noch der 1997 geborene Wallach David zur Pferdefamilie. Gabriele Alber wuchs mit Pferden auf und ritt Dressur bis Klasse S. 1998 gründete sie die Manufaktur navalis® nutraceuticals, die sie bis 2021 führte. Heute ist sie selbstständig beratend im Bereich Pferdeernährung und Produktentwicklung tätig.
Benjamin Werndl ist Head Coach von Shosho und leitet das Dressurzentrum „HOME of the DRESSAGE HORSE“ im bayerischen Aubenhausen mit seiner Schwester Jessica von Bredow-Werndl. Der Träger des Goldenen Reitabzeichens zählt zu den Top Ten der Dressur-Weltrangliste und zum deutschen Olympiakader. Mit neun Jahren bekam Benjamin Werndl www.benjamin-aubenhausen.de sein erstes Pony und wollte erst Springreiter oder Skirennfahrer werden, bevor er 2002 als Vize-Europameister und Deutscher Meister der Jungen Reiter seine Dressurkarriere startete.
Eilika Böye trainiert die Stute Shosho täglich und gehört seit Juli 2019 zum Team Aubenhausen www.aubenhausen.de, wo sie sich vor allem um die Dressurausbildung der jungen Pferde kümmert. Die Pferdewirtin Schwerpunkt Reiten, ausgezeichnet mit der Stensbeck-Plakette, war auch im Springen bis Klasse S und in der Vielseitigkeit bis CIC* erfolgreich und als Bereiterin unter anderem auf dem Hof Kasselmann tätig.
Yvonne Baumgärtner kümmert sich ganzheitlich um Shosho von der täglichen Pflege über Erziehungsfragen bis hin zum Füttern morgens, mittags und abends. Seit Dezember 2018 gehört sie zum Team Aubenhausen. Yvonne koordiniert Shoshos Gesundheitsmanagement, wacht darüber, dass es ihr gut geht und kennt ihre Futtervorlieben ebenso wie Shoshos Eigenheiten als Pferdepersönlichkeit.
Dr. Kathrin Irgang berät Pferdebesitzer umfassend in Fütterungsfragen und unterstützt „ShoshoLogisch“ als Expertin. Nach dem Studium der Veterinärmedizin spezialisierte sich die Tierärztin mit Zusatzbezeichnung Ernährungsberatung (Kleintiere) www.tierarzt-ernaehrung.de im Jahr 2000 auf computergestützte Rationsberatung und Diätetik für Pferde. Ihr Leitmotto: „Gut gefüttert heißt noch nicht optimal ernährt.“
Online-Chefredakteurin Christine Felsinger ist studierte Biologin und Journalistin. Sie besitzt zwei Pferde, geboren 1997 und 2022, und verantwortet seit 1998 Fachmedien zum Thema Pferd. Heute als freie Journalistin, Bloggerin und Kommunikatorin tätig, leitete sie viele Jahre das Reitsportmagazin Cavallo, konzipierte unter anderem das Bookazin "ReitKultur", den Ernährungs-Blog www.freundpferd.de und den Pferdegesundheits-Blog „ShoshoLogisch“. In der Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft um das Pferd e.V. www.pferd-forschung.de ist sie Vorstandsmitglied.
Maresa Mader hat ihre Hobbys Pferde, klassische Dressur und Fotografie zum Beruf gemacht www.maresamader.com. Die Diplom-Designerin und Reiterin ist die Kamerafrau bei ShoshoLogisch. Sie fotografiert die Harmonie zwischen Pferd und Reiter seit 2010 mit viel Gefühl und gutem Auge – und freut sich, dass die fotogene und talentierte Stute Shosho ihr als Model so viel Spielraum für Motive und Momente bietet.
Miriam Reichel studierte Jura, hat ein Pferd, dass sie momentan in Klasse M in der Dressur vorstellt und zwei Hunde. Sie leitet zwei Verlage und hat zahlreiche Bücher und Artikel herausgegeben. Nebenbei spricht sie auf Krebskongressen zum Thema Heilung und Ernährung. www.miriam-reichel.com