Piaffe lernen: Wir fordern Shosho zum Tanz auf

Stute Shosho lernt Piaffe und entwickelt eine gute Hankenbeugung.
Stute Shosho lernt Piaffe und Passage und entwickelt neben der guten Hankenbeugung auch ein stabiles Nervenkostüm. Foto: Maresa Mader

„Piaffen sind wie Liegestützen: Bei beidem fängt man langsam an“, sagt Benjamin Werndl, Top-Dressurreiter und Shoshos Head Coach im Dressurzentrum Aubenhausen. Das klingt logisch. Wie Pferde die Piaffe lernen, schauen wir uns im Shoshologisch-Blog genauer an.

Das Piaffe-Training ist ein gutes Beispiel dafür, wie geduldig die Trainer im bayerischen Profistall in der Ausbildung der jungen Nachwuchspferde vorgehen. Dahinter steht die Philosophie der Geschwister Jessica von Bredow-Werndl, Doppel-Olympiasiegerin Dressur 2021, und Benjamin Werndl, Vierter in der Kür der Dressur-Weltmeisterschaft 2022, für die Ruhe und Zeit ganz oben in der Prio-Liste stehen.

Wie Pferde die Piaffe lernen: Start mit Handarbeit

Wie so vieles in der Dressurausbildung beginnt der Weg zur Piaffe auch für die sechsjährige Hannoveranerstute Shosho ganz solide am Boden, mit klassischer Handarbeitsmethode, wie sie zum Beispiel auch in der Wiener Hofreitschule praktiziert wird – eine dort vermutlich Jahrhunderte alte Tradition. Erst auf einem Gemälde von der Morgenarbeit aus dem Jahr 1890 lässt sich freilich erstmals nachweisen, dass ein Hofreitschulausbilder nicht auf dem Pferd sitzt, sondern neben ihm geht und eine Gerte in der Hand hält.

Alle sechs Wochen ist dieses Bild auch in der Aubenhausener Reithalle zu sehen, und auch dieses hat schon Tradition auf dem Weg, wie ein Pferd die Piaffe lernt bei Familie Werndl: Andreas Hausberger, Oberbereiter an der Spanischen Hofreitschule Wien, unterstützt bei seinen Besuchen das Piaffetraining der Aubenhausener Sportpferde von der kleinen Shosho über viele Stallkameraden aller Niveaus bis zur großen TSF Dalera BB, mit der Jessica von Bredow-Werndl ihre Olympiamedaillen erritten hat.

Die Touchiergerte gibt Impulse

Entsprechend dem Trainingsziel, werden die Pferde zur Handarbeit in der Reithalle mit Ausbindezügeln ausgerüstet – auch hier ist die Hofreitschule Vorbild, denn dort wird die Handarbeit ebenfalls eingesetzt, um Pferde ausgebunden an die Piaffe heranzuführen und diese Lektion der Hohen Schule am Boden immer weiter zu vervollkommnen.

Boden-Personal: Mit gezielten Impulsen der Touchiergerte als verlängertem Arm hilft der Ausbilder dem Pferd, die Hinterbeine zu heben. Foto: Maresa Mader

Praktisch sieht das so aus, wenn Pferd die Piaffe lernen: Shoshos Ausbilderin Eilika Böye wärmt Shosho auf, schnallt Ausbinder ins Gebiss und führt sie ihrem 57-jährigen Handarbeitslehrer vor, für den diese Methode seit Jahrzehnten Routine ist. Entsprechend weiß er ganz genau, wo, wann und wie stark er das Pferd in der Piaffe mit den Impulsen der Touchiergerte unterstützen kann, die als verlängerter Arm dient.

Der Ausbilder touchiert genau die Punkte an der Hinterhand, die in der jeweiligen Haltung und Bewegungsphase nötig sind, damit Shosho sich setzt, die Hanken beugt, ihren Bewegungsfluss für wenige Sekunden aus dem Vorwärts in Versammlung umlenkt, und im Takt die Hinterbeinen hebt. Ein paar energisch abfußende Piaffe-Tritte fordert Andreas Hausberger, dann wird die Stute gelobt und darf als größte Belohnung frei nach vorne traben.

Die nächste Stufe: Hilfen im Sattel und am Boden

Die Übung wiederholt sich in neuem Gewand: Eilika schnallt die Ausbinder aus, sattelt Shosho und reitet im Lauf der weiteren Trainingseinheit immer wieder mal im versammelten Trab an ihrem Trainer vorbei. Der unterstützt nun, wiederum mit der Touchiergerte vom Boden aus, Eilikas Hilfen – die nächste Übergangsstufe auf dem Weg zur höchsten Versammlung in der Piaffe. So macht das Trainer-Duo vom Boden und vom Sattel aus die schwierige Lektion fürs Pferd verständlich und optimiert das Zusammenspiel der treibenden und versammelnden Hilfen.

Was Eilika Böye in diesen Handarbeitsstunden lernt, wendet sie beim täglichen Training im Sattel an, bei dem dann noch ein weiterer Experte hinzu kommt: Head Coach Benjamin Werndl hat im Alltag ein waches Auge auf seine beiden Schützlinge Eilika und Shosho. Er schaut immer wieder im Training vorbei, beobachtet die Fortschritte, korrigiert, lobt, gibt Tipps – Fördern durch fordern und belohnen; dasselbe Prinzip, das auch bei Andreas Hausberger zu beobachten ist.

Wie Pferde die Piaffe lernen: Nur wenige Tritte

Eilika fragt auch beim Reiten der Piaffe-Einheiten immer nur kurz ein paar Tritte bei Shosho an und lässt sie dann wieder vorwärts traben. „Gut so, Eilika“, lobt Benjamin Werndl und erklärt: „Wichtig ist, dass man nicht zu schnell zu viel fragt, wenn ein Pferd die Piaffe lernt. Ich mach‘ ja auch keine 20 Liegestützen, wenn ich noch nicht die Kraft dazu habe.“

Der Ausbilder touchiert Shoshos Hinterhand an unterschiedlichen Stellen und signalisiert dem Pferd: Piaffe. Foto: Maresa Mader

Benni Werndl geht und fühlt mit, als Eilika die Stute behutsam aus dem Trab zurücknimmt und versammelt. Er legt den Kopf schief, es scheint, als versetze er sich gleichzeitig in die Lage von Reiterin und Pferd. Eilika und Shosho sind übereifrig an diesem Tag, beobachtet er, und korrigiert umgehend. „Es geht nicht um sechs Tritte, das sind schon zu viele“, sagt er und erklärt: „Wir machen erstmal nur ein oder zwei Tritte. Wenn man merkt, es geht leicht, macht man mehr. Merkt man, dass sie sich schwer tut, macht man weniger. Das ist bei der Piaffe ganz besonders wichtig, dass wir da ganz viel Gefühl reinkriegen.“

„Dieses kleine Zurückparieren. Hinten Motor an, vorne Ventil offen“, redet Benni Werndl, während Eilika Shosho noch einmal zur Piaffe aufnimmt. „Zack, zack, zack, und wieder raus, genau, das ist es, braaaav“, freut sich der Head Coach. „Rein und wieder raus. Raus muss auch gar nicht überfallartig sein, bisschen entwickeln lassen. Super, reicht schon, sehr gut, Eilika!“

Für heute ist das Ausbilderteam zufrieden mit Shosho, bei der man jetzt spürt und sieht, dass es ihr leicht fällt, sich zu versammeln, und dass sie Spaß am Wechselspiel zwischen Verkürzen und Verlängern der Trabtritte hat. „Und sie hat jetzt inzwischen auch die Kraft dafür, das ist ganz wichtig“, sagt Benni Werndl.

Shosho hat die Kraft, und sie hat verstanden, worum es geht. Jetzt liegt es an uns, das richtige Tempo zu finden und den Weg weiterzugehen.

Benjamin WerndlHead Coach, WM-Vierter in der Dressur-Kür 2022

Gefühl, Kraft, Köpfchen und nicht zuletzt auch Talent sind wichtig. „Und Talent hat Shosho definitiv“, sagt Benjamin Werndl. „Technisch wird sie sehr, sehr gut. Jetzt liegt es an uns, uns Zeit zu lassen, bis sie noch mehr schöne Tritte zeigen kann. Aber das schaffen wir! Das dauert einfach nur noch ein bisschen.“

Gut zu wissen: Die korrekte Piaffe

Die Piaffe zählt zu den Lektionen der Hohen Schule und ist eine trabartige Bewegung auf der Stelle bis zur höchsten Versammlung. Die Schubkraft ist ausgesetzt zugunsten erhöhter Trag- und Federkraft; das Pferd soll die Hanken beugen und mit der Hinterhand unter den Schwerpunkt treten. Das zeichnet eine korrekte Piaffe aus: Das Genick des Pferdes bleibt höchster Punkt, die Stirn-Nasenlinie befindet sich an oder leicht vor der Senkrechten. Das auffußende Vorderbein steht senkrecht, nicht rückständig. Der Reiter hat das Pferd am Sitz, so dass die Anlehnung mit zunehmender Versammlung leichter wird. Das Pferd behält die Vorwärtstendenz, bleibt losgelassen und balanciert, die Beinpaare fußen diagonal und sauber, nicht eilig, im Takt.

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