Wie viel Schwitzen ist gesund fürs Pferd?

Hannoveranerstute Shosho zieht flehmend die Oberlippe hoch, während Dr. Gabriele Alber ihr einen blauen Kunststoffeimer mit Wasser hinhält.
Essen und Trinken sind meine Lieblingsbeschäftigung: Meine Besitzerin Dr. Gabi Alber ist Ernährungsexpertin und weiß genau, was gut für mich ist.

Hitze und schwüles Wetter im Sommer ist für viele Pferde eine schweißtreibende Herausforderung. Hat ein Pferd zudem kräftige Muskeln, heizt es sich schneller auf und muss deshalb stärker schwitzen. Für durchtrainierte Dressurpferde wie unsere Hannoveranerstute Shosho eine echte Challenge. Damit Flüssigkeitshaushalt und Kreislauf in Balance bleiben, erleichtern wir Shosho & Co. den Alltag mit Wasser und elektrolytreicher Ernährung. Keine Chance dem Hitzestress!

Unter Hitzestress leiden Pferde nämlich stärker als wir Menschen. Denn ihre Körperoberfläche ist im Verhältnis zum Körpervolumen kleiner und lässt sich weniger effektiv durch den Verdunstungseffekt beim Schwitzen kühlen.

Die Wohlfühltemperatur von Pferden liegt zwischen minus 7 und plus 25 Grad Celsius. Sommerhitze über 30 Grad, hohe Luftfeuchtigkeit, stark arbeitende Muskeln und anstrengende Turniertransporte sind Stressfaktoren, auf die das Pferd mit Schweißbildung reagiert – die natürliche Methode, sich Kühlung zu verschaffen.

Ein 600 Kilogramm schweres Pferd verliert pro Stunde dabei bis zu 18 Liter Flüssigkeit auf der höchsten Schwitzstufe 5, wenn der Schweiß übers Fell rinnt, von den Augen und vom Bauch tropft. Das haben Forscher beim Erstellen eines Schweiß-Scores gemessen, mit dem sie den Elektrolytverlust berechenbar machen. Mehr dazu in der Tabelle unten.

Schweiß-Score: So stark schwitzen Pferde

Schweiß-ScoreBeobachtete VeränderungenSchweißverlust in Litern und Prozent bei einem 600 Kilo schweren Pferd
1Fläche unter Sattel teilw. trocken, Halsbereich klebrig, Flanken dunkler als normal1-4 (0,2-0,7)
2Fläche unter Sattel und am Hals nass, Schaumbildung am Ende der Satteldecke, an Reibungsfläche Hals/Zügel und im Innenschenkelbereich4-7 (>0,7-1,2)
3Trense hinterlässt feuchten Abdruck, Hals und Fläche unter Sattel durchgängig nass, Flanken feucht7-9 (>1,2-1,5)
4Hals und Flanken komplett nass, feuchte, dunkle Falten über den Augen, Innenschenkel weiß9-12 (>1,5-2,0)
5Pferde zusätzlich über den Augen und unter dem Bauch tropfend nass12-18 (>2,0-3,0)
Tabelle nach Zeyner, A; Romanowski, K.; Vernunft, A.; Harris, P.; Kienzle, E. (2014) Scoring of sweat losses in exercised horses – a pilot study; Animal Physiology and Animal Nutrition, 98, S. 246-250
Selbst im Sommer schwitzt Shosho bei der Arbeit nicht stärker als Schweiß-Score 1 bis 2. Blutgefäße zeichnen sich bei Anstrengung ab, das Fell ist an Hals und Brust aber noch trocken. Foto: Maresa Mader

Zum größten Teil enthält der Pferdeschweiß Wasser und Elektrolyte, also vor allem Natrium, Kalium und Chlorid, sehr wenig Calcium und kaum Magnesium. Diese Stoffe, allen voran Wasser, Natrium und Chlorid, müssen umso dringlicher ersetzt werden, je stärker der Schweiß fließt.

Denn sonst drohen Störungen im Wasserhaushalt des Pferdes und Veränderungen des Blut-pH-Werts. Die Folgen von Wasser- und Elektrolytverlust sind Leistungsabfall und Hitzeerschöpfung bis hin zum Hitzschlag, Kreislaufzusammenbruch und Nierenversagen. Dann werden Hitze und Schweißverlust lebensbedrohlich.

Hitzschlagsymptome und Hautfaltentest

Der Tierarzt muss sofort kommen, wenn das Pferd Hitzschlag-Symptome zeigt. Dazu zählen Apathie, erhöhter Puls, Kurzatmigkeit, starkes Schwitzen in Ruhe, Koordinationsprobleme, Muskelkrämpfe, Fressunlust, schlecht durchblutete, blasse Schleimhäute, Dehydrierung. Ob ein Pferd dehydriert ist, kann man ganz einfach mit dem Hautfaltentest prüfen: Haut am Hals zwischen Daumen und Zeigefinger greifen, loslassen. Zieht sich die Haut nicht sofort wieder zurück, fehlt dem Pferd Flüssigkeit.

Wie wichtig es ist, Pferde bei Hitze akribisch zu überwachen, zeigen die Olympischen Spiele in Tokio im Juli 2021, die bei hohen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit stattfanden. Im Training wurde permanent die Temperatur der Pferde gemessen. Wäre diese auf der Kruppe über 40 Grad gestiegen, hätten die Reiter das Training abbrechen müssen.

Die Prüfungen für die Dressur-Teams, allen voran die Aubenhausener Doppel-Olympasiegerin Jessica von Bredow-Werndl im Sattel von Shoshos Stallkollegin Dalera, fanden zur Schonung der Pferde nach 17.00 Uhr statt, wenn im Stadion ein kühles Lüftchen einzog.

Auch zuhause in Aubenhausen haben Jessica von Bredow-Werndl und ihr Bruder Benjamin Werndl, Head Coach im Dressurzentrum, die Bedingungen für ihre Berittpferde optimiert. Alle haben ein sehr gutes Trainings- und Konditionsniveau, sind entsprechend fit, werden gesundheitlich optimal betreut und ernährt. Somit sind sie bestens auf den Stressfaktor Hitze vorbereitet

Kurze Reiteinheiten in den kühleren Abend- und Morgenstunden, viel Abwechslung im Training mit oder ohne Reitergewicht und viele Pausen gehören ebenfalls zum Konzept. Auf die Weide kommen alle Pferde in Aubenhausen, auch Olympiasiegerin Dalera, sehr früh am Vormittag. Denn vor 9.00 Uhr sind sie auf der Koppel vor Sonne und Hitze noch ebenso sicher wie vor den Insekten.

Cool down gegen Schwitzen: richtig kühlen

Cool down: Nach dem Training geht’s zum Abkühlen und Grasen. Foto: Maresa Mader

Das Kühlen der Pferdebeine oder die Ganzkörperdusche gehören ebenfalls zum Sommer-Wellnessprogramm für Shosho und ihre Stallkollegen.

„Im Sommer bekommen die Pferde morgens nach dem Reiten, dem Longieren oder dem Freispringen eine Dusche, um sie zu erfrischen und den Schweiß abzuspülen“, sagt Sophia Thaler, Stallmanagerin im Dressurzentrum. „Wir duschen sie schon so fünf Minuten lang. Natürlich nicht mit eiskaltem Wasser, sondern lauwarm. Anschließend ziehen wir das Wasser mit einem Schweißmesser ab.“

Je nach Hitze werden später am Tag noch einmal die Beine mit kühlem, nicht eiskaltem Wasser abgespritzt, erzählt Sophia Thaler. „Dabei fangen wir unten am Huf an, arbeiten uns nach oben und beginnen immer hinten links, an dem Bein, welches am weitesten vom Herzen entfernt ist.“

Wie bei der Ganzkörperdusche gilt auch beim Trinken, dass das Wasser weder eiskalt noch von der Sonne aufgeheizt sein sollte. Optimal für Gesundheit und Akzeptanz sind moderate 15 bis 20 Grad Trinktemperatur. Denn immerhin sollten wir dem Pferd je nach Verdunstung über den Schweiß zwischen 30 bis 50 Liter Wasser täglich schmackhaft machen.

Hat das Pferd trotz Hitze keinen Durst oder trinkt es generell zu wenig, kann das ein Zeichen dafür sein, dass ihm Salz, also Natriumchlorid, fehlt. Womit wir wieder bei den Elektrolyten sind, die dem Pferd beim Schwitzen verlorengehen.

Salz und Elektrolyte in der Ernährung

Was also braucht ein schwitzendes Pferd an Mineralien warum und wann? Grundsätzlich sind Elektrolyte wie Natrium, Kalium, Magnesium und Chlorid lebenswichtig. Sie besitzen unter anderem Funktionen in Nerven- und Muskelzellen, sind essenziell für die Flüssigkeits-Balance zwischen Blut und Gewebe und für das Säure-Basen-Gleichgewicht

Der Bedarf an Kalium ist durch Grobfutter, also Gras, Heu und Heulage gedeckt. Auch beim Magnesium sieht Tierärztin Dr. Kathrin Irgang keine Gefahr der Unterversorgung. „Im Grundfutter ist genügend Magnesium enthalten“, sagt die Ernährungsexpertin aus Berlin.

Für ein gesundes Freizeitpferd, das moderat geritten wird und deshalb nicht stark schwitzt, spielt Elektrolytmangel, was Kalium und Magnesium anlangt, in der Regel keine Rolle. Bei Ausdauersportarten wie Vielseitigkeit und Distanzreiten ist eine Zuführung von Elektrolyten sinnvoll. Das gilt auch bei starker körperlicher Anstrengung, bei hohen Außentemperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit, nach starkem Schwitzen und nach Stresssituationen.

Ausnahmslos bei allen Pferden, egal wie viel sie arbeiten und schwitzen, sollte Natriumchlorid (Vieh-/Kochsalz ohne Zusätze) über die Ernährung gezielt ergänzt werden. Denn der Gehalt in Gras, Heu und Getreide allein reicht nicht aus. Jedes Pferd braucht daher täglich freien Zugang zu einem Salzleckstein. Ausnahme: Fohlen. Die naschen davon spielerisch und erwischen zu viel Salz, was Durchfallgefahr birgt.

„Am besten geeignet fürs Pferd ist Viehsalz ohne Zusätze. Es besteht aus reinem Natriumchlorid.“

Dr. Katrin Irgang Tierärztin und Ernährungsexpertin aus Berlin

Ein 600 Kilogramm schweres Pferd braucht bei leichter Arbeit mindestens 10 Gramm Natriumchlorid pro Tag zusätzlich zum Erhaltungsbedarf, den es über den Salzleckstein deckt. Sobald es stark schwitzt (Schweiß-Score Stufe 3 bis 5) verdoppelt sich der Natriumchlorid-Bedarf. Bei mittlerer bis schwerer Arbeit verdreifacht sich der Bedarf sogar.

Stute Shosho bekommt Salz aus drei Quellen

Passt die Versorgung mit Nähr- und Mineralstoffen? Shoshos Besitzerin Dr. Gabriele Alber und Betreuerin Yvonne Baumgärtner stimmen sich regelmäßig ab. Foto: Maresa Mader

Das Salz für Shosho stammt aus Heu (10 bis 12 Kilogramm), aus dem Salzleckstein in ihrer Box und über ein Mikronährstoffprodukt, welches auch Natriumchlorid enthält. Da sie als sechsjähriges Dressurpferd im altersangepassten Training maximal leicht und nur im Hochsommer ausnahmsweise mal einen Tag mittelstark schwitzt, erhält sie keine weiteren Salzzulagen.

Denn erst bei schwerer, schweißtreibender Arbeit reicht der Salzleckstein nicht mehr. Falls ein Sportpferd also kein natriumchloridhaltiges Mineralfutter frisst, bräuchte es täglich eine Salzzulage von rund 2 bis 10 Esslöffeln Natriumchlorid. Aber welches Pferd wird tatsächlich täglich eine Stunde lang gearbeitet, bis der Schweiß trieft?

Als Grundlage für die Salzzulage bei starkem Schwitzen rechnet Tierärztin Dr. Irgang ca. 8 bis 9 Gramm Salz pro Liter Schweiß. Auf einen gestrichenen Esslöffel passen 10 Gramm Salz.

„Wichtig ist, dass das Pferd an Salzzulagen gewöhnt wird, damit es, etwa nach Belastung beim Turnier, es auch frisst“, sagt Kathrin Irgang. „Man kann natürlich auch den Salzleckstein zerkrümeln, wenn das Pferd das lieber frisst.“
Was das Pferd für seinen Stoffwechsel sonst noch braucht, erfahren Sie hier.

Drei Grundregeln beim Zufüttern von Salz und Elektrolyten

Wichtig sind drei Dinge, egal ob man Schweißverlust durch Viehsalzzulage oder Elektrolytpräparate ausgleicht:

  1. Die Pferde müssen nach der Gabe von Salz viel trinken, damit das Verhältnis von Wasser und Elektrolyten im Körper wieder stimmt. Sie müssen deshalb nicht nur ans Salz gewöhnt werden, sondern auch daran ungewohntes Wasser aus ungewohnten Gefäßen zu trinken. Dasist bei Turnieren und Fahrten im Anhänger häufig der Fall.
  2. Elektrolytverlust durch Schwitzen kann man nicht vorbeugen, sondern nur im Nachgang ausgleichen.
  3. Egal welche Elektrolyte wir zufüttern: Wichtig für den balancierten Wasser- und Salzhaushalt ist gerade bei stark schwitzenden Sportpferden ausreichend Heu. Denn Heu bildet im Dickdarm ein üppiges Elektrolyt- und Wasserreservoir. Auf diese eiserne Reserve kann das Pferd bei Wasser- und Salzknappheit zurückgreifen.

Gut zu wissen

Pferde benötigen Natriumchlorid (kurz NaCl) = Viehsalz oder Kochsalz ohne Zusätze. Pflicht ist ein normaler Salzleckstein aus 100 Prozent Natriumchlorid ohne modische Zusätze. Bitte kein Himalayasalz und erst recht keine Minerallecksteine. Diese bringen wahllos Mikronährstoffe ins Pferd und stören die Balance! Ungeeignet für Pferde ist Speisesalz aus der Küche, dem Jod oder Fluor zugesetzt wurde.