Äpfel und Möhren: Shoshos saftige Superfruits

Dr. Gabriele Alber füttert Shosho eine Möhre.
Karotten enthalten zum Beispiel Beta-Carotin, eine Vorstufe des Mikronährstoffs Vitamin A. Die leckere Begrüßung und Belohnung, die Shosho gern aus der Hand von Besitzerin Dr. Gabriele Alber nimmt, reicht natürlich nicht, um den Vitamin A-Bedarf der Stute zu decken. Foto: Maresa Mader

In Shoshos Futtertrog rumpelt und kullert etwas. Logisch, dass die Stute sofort die dunklen Ohren spitzt, kurz brummelt und herzhaft Äpfel und Möhren zerbeißt. Welche gesunden Vorteile bringt das knackige Leckerfutter außer dem Fress- und Fütterspaß für Pferd und Mensch?

„Wenn ich Shosho besuche, habe ich die Taschen immer voller Äpfel oder Möhren, denn beides liebt sie wirklich sehr“, sagt Shoshos Besitzerin Dr. Gabriele Alber und freut sich, dass ihre Stute sich freut. Ein Äpfelchen in den Trog, eins aus der Hand. Shosho biegt den Hals wie eine Schlange, schiebt den Kopf vor und kaut zufrieden, bis der süße Fruchtbrei durch die Zähne quillt.

Das gleiche in Karottenorange spielt sich mit Möhren ab, die in Shoshos bayerischer Heimat Aubenhausen auch gelbe Rüben heißen. Den Dressurpferden von Klasse M wie Shosho bis Olympiasiegerin wie Dalera serviert man sie ebenfalls gerne zur Belohnung. Als Leckerchen zwischendurch oder einfach als Abwechslung im Futtertrog.

Wenn das Gras im Herbst kürzer wird und die Weidezeiten weniger, freut sich Shosho umso mehr über Gemüse und Obst als Saftfutter. Foto: Maresa Mader

Im Frühjahr und Sommer stürzen sich Shosho und ihre Aubenhausener Stallkumpel natürlich vor allem auf das saftige Gras, dass sie vormittags auf der Weide und beim täglichen Cool-down nach dem Reiten fressen dürfen. Wenn es langsam Herbst und das Gras kürzer wird, freut sich die Hannoveranerstute genau wie ihre Artgenossen landauf, landab über saftig-süße Abwechslung: Neben Äpfeln und Möhren lieben Pferde Bananen (maximal 1-2 Stück pro Tag) oder auch mal eine kugelrunde Rote Bete, in grobe Stücke zerteilt.

Shosho frisst fünf Karotten plus Leinöl

Shosho beispielsweise frisst täglich etwa fünf Karotten, die zusammen mit 30 Milliliter Leinöl gefüttert werden. Ansonsten landet im Trog überwiegend Hafer, denn Shoshos Futterration basiert auf Heu als Grobfutter,(vom Boden gefüttert) und Hafer als Kraft- oder Krippenfutter.

Fünf Karotten sind je nach Größe etwa ein Pfund bis ein Kilogramm. Beim Menschen ergibt das schon eine ordentlich gesunde, ausreichende Tagesration Gemüse. Man kann man sich aber leicht ausrechnen, dass fünf Karotten oder fünf Äpfel im Trog eines Warmblutpferds mit durchschnittlich 550 Kilo keine gesundheitlichen Wunder bewirken können.

„Äpfel und Möhren oder auch mal eine Rote Bete sind eine tolle Sache fürs Pferd, weil es im Trog poltert und auch noch lecker schmeckt“, sagt Shoshologisch-Expertin Dr. Kathrin Irgang. Die Berliner Tierärztin ist auf Ernährungsberatung spezialisiert. „Wenn man mit den darin enthaltenen Pflanzenstoffen gezielt ein Problem lösen möchte, muss man diese aber konzentrierter ins Pferd bringen. Zum Beispiel in Form von eingeweichten Möhrenschnitzeln oder unmelassierten Rübenschnitzeln.“

Möhren, die botanisch zu den Wurzeln zählen, oder auch Äpfel sind seit alters her geschätzte, gesunde und in Mitteleuropa heimische, somit ökologisch vertretbare Nahrungsbestandteile für Mensch und Tier. „An apple each day keeps the doctor away“, sagt der Volksmund. Ernährungswissenschaftler gehen solchen Weisheiten auf den Grund, flößen Versuchstrinkern Apfelsaft, Möhrensuppe, Pflanzenaufgüsse sowie Smoothies mit Obst-Gemüse-Püree aller Couleurs ein – auf der Suche nach bioaktiven Stoffen oder sekundären Pflanzenstoffen, die in Pflanzen gesund wirken könnten: Ballaststoffe, Radikalfänger, Entzündungshemmer, Prä- und Probiotika, Vitamine sowie deren Vorstufen.

Äpfel enthalten Antioxidantien, die gegen Husten wirken

Beim Menschen weiß man inzwischen für manche Pflanzenstoffe, ob und wann sie im Körper bioaktiv werden. Für Äpfel konnten Forscher zum Beispiel nachweisen, dass 700 Milliliter Saft der alten Apfelsorte Brettacher bei Probanden die antioxidative Kapazität im Blutplasma steigen ließ. Antioxidative Kapazität bedeutet: Zellschädigende freie Radikale, die im Körper etwa bei der Fettverbrennung, beim Atmen oder durch Stress entstehen, werden vom Körper unschädlich gemacht.

Solche Radikalfänger oder Antioxidantien können also Entzündungen vorbeugen und die Immunabwehr stärken. Ob Apfelesser länger leben, ist damit noch nicht gesagt. Aber der Spruch, dass ein Apfel pro Tag den Arzt fernhält, wird allmählich untermauert; etwa in einer niederländischen Studie, in der Menschen beim täglichen Verzehr von sechs Äpfeln und damit 45 Milligramm Catechin bessere Lungenwerte hatten.

Catechin zählt zu den pflanzlichen Flavonoiden, die in Zellen Enzyme hemmen und dadurch die Produktion der an Entzündungen und Allergien beteiligten Prostaglandine drosseln. Tausende von Flavonoiden kennt man: neben dem Catechin in Äpfeln, Tee und Rotwein auch Quercetin in Äpfeln und Quitten sowie Anthocyan, das Obst und Gemüse blau färbt. Ziemlich sicher wirkt in Äpfeln & Co. freilich kein einzelner Superstar, sondern ein Konzert gesunder Player.

Versuche des britischen Animal Health Trust bestätigten auch bei Pferden, dass antioxidative Stoffe Entzündungen in Zellen der Atemwegsschleimhaut bekämpfen und die Lungenfunktion verbessern. Die Forscher experimentierten nicht mit Äpfeln, sondern mit einem Spezialfutter. Es enthielt eine Mischung verschiedener Antioxidantien, unter anderem Ascorbinsäure (Vitamin C), dessen Konzentration bei chronischen Hustern deutlich zurückgeht.

An apple each day… ist fürs Pferd ein kleines Spielzeug und ein Belohnungshappen mit bioaktiven Substanzen. Foto: Maresa Mader

Es ist also legitim, im Apfel mehr als Dessert oder Belohnung auch fürs Pferd zu vermuten. Wäre da nicht die Frage nach der Dosis und vor allem das Problem: Bekäme man, vorausgesetzt, wir würden die Dosis kennen, genügend frische Äpfel ins Pferd, ohne dass die damit verbundene Flut an Fruchtzucker Probleme an anderen Stellen bereiten würden?

In Möhren wirken darmschützende Stoffe

Äpfel und Möhren besitzen verschiedene gesundheitliche Benefits. Bei Äpfeln, das ist wissenschaftlich erwiesen, steckt der Benefit in den enthaltenen Pektinen. Das sind Gerüstkohlenhydrate, die als präbiotische Ballaststoffe ebenfalls zu den bioaktiven Substanzen in Pflanzen zählen. „Pektin ernährt und fördert die faserverdauenden Darmbakterien, ist also gut für die gesunde Darmflora“, lobt Tierärztin Dr. Kathrin Irgang. „Auch Pferde mit Magengeschwüren profitieren von Pektin.“

Außer Pektinen gibt es weitere bioaktive Darmschützer. So werden etwa präbiotisch wirkende Oligosaccharide (Mehrfachzucker) aus Bananen als Ballaststoffe in Hundefutter oder Diätwurst gemixt. Auch Möhren enthalten Oligosaccharide, die bei Menschen und Tieren erfolgreich gegen Durchfall eingesetzt werden.

Ein Fan der Oligosaccharide in Möhren war der Pharmakologe und ehemalige Vizerektor der Universität Wien, Professor Johann Jurenitsch. Dem 2017 verstorbenen Forscher ist es zu verdanken, dass die 1906 vom Münchner Arzt Dr. Ernst Moro erfundene „Karottensuppe nach Moro“ wissenschaftlich erprobt wurde, woraus sogar ein Patent entstand.

Das Prinzip Karotte gegen Durchfall geht so: Von den Oligosacchariden spalten sich beim Kochen Substanzen ab und blockieren Proteine in den Durchfallerregern. So wird deren Andocken an die Darmschleimhaut verhindert. Beim Schwein konnte man Darminfekte mit getrockneten Möhrenschnitzeln erfolgreicher bekämpfen als mit Antibiotika; bei Hundedurchfall ist die stundenlang gekochte Karottensuppe ein Segen.

Möhren enthalten außerdem den bioaktiven Stoff Beta-Carotin, der im Körper bei Bedarf zu Vitamin A umgewandelt wird. Empfohlen werden für Pferde 40 Milligramm Carotin pro 100 Kilo Pferde-Körpergewicht. 60 Milligramm Carotin stecken in einem Kilo Möhren. Das heißt: Mit ein paar Möhren in der Tasche kommt man nicht weit, wenn man bioaktive Effekte sehen will.

Hagebutten sind Leckerli, kein Vitamin-C-Booster

Es kommt also auf die Menge an, ob Gemüse und Obst nutzen. Das gilt erst recht für kleine Superfruits von Acai-Beeren (enthalten Antioxidantien) über Sanddorn (enthält viel Vitamin C) bis Hagebutte. Gerade zum Thema Hagebutte wird im Herbst fleißig diskutiert und gesammelt, denn jetzt hängen die roten Früchte überall an Hecken- und Wildrosen.

Hagebutten enthalten immunstärkendes Vitamin C und außerdem Galaktolipide. Letztere wirken wie viele Superfruits antioxidativ und könnten in ausreichender Konzentration Entzündungsreaktionen hemmen. Darauf deuten erste Studien in vitro und beim Menschen.

Für Tierernährungsexperten wie Dr. Irgang sind Erkenntnisse wie diese, die sich auch in Reiterkreisen verbreiten, keine hinreichenden Indizien, um sich auf die gesundheitlich durchschlagende Wirkung der ganzen Früchte im Futtertrog zu verlassen.

Hagebutten sind daher als Belohnung wertvoll, können aber kein Booster sein, um ausreichend Antioxidantien in ein 500-Kilo-Pferd zu bringen.

100 Gramm Hagebutten enthalten ein halbes bis ein Gramm Vitamin C, tragen also nichts zur Immunstärkung beim Pferd bei. Aber als Leckerli aus der Hand gefüttert sind Hagebutten top und jedenfalls gesünder als trockenes Brot.

Dr. Katrin Irgang Tierärztin und Ernährungsexpertin aus Berlin

Äpfel und Möhren passend dosieren

Dass wir Shosho und ihre Artgenossen allein über frische Früchte nutriologisch fit halten könnten, ist bei allen gesunden Pflanzenstoffen, die in Äpfeln, Möhren, Beeren oder im Gemüse stecken, illusorisch und auch nicht erstrebenswert.

„Futterzusätze beispielsweise von Antioxidantien wie Vitamin C müssen immer gezielt und korrekt dosiert und kombiniert erfolgen. Deshalb ist es fürs Pferd gesünder, statt Saftfutter auf Verdacht ein hochwertiges Supplement zu füttern, bei dem man weiß, was drinsteckt“, rät Dr. Kathrin Irgang. Idealerweise enthält es organisch gebundene Wirkstoffe. Die Betonung liegt beim Supplement auf dem Wörtchen EINES: „Bevor man zum Müsli noch ein zweites und drittes Zusatzfutter kauft, ob für Hufe oder Atemwege, sollte man die Ration vom Fachmann überprüfen lassen.“

Interessant ist es, in der nutriologischen Forschung die Potenziale bioaktiver Stoffe und sekundärer Pflanzenstoffe zu untersuchen. Wie können sie dem Pferd korrekt dosiert nutzen, um Erkrankungen vorzubeugen und Therapien zu unterstützen? Welche sekundären Pflanzenstoffe lassen sich sinnvoll zu Nutraceuticals kombinieren, die das Pferd ganzheitlich gesund halten? Mehr über Nutriologie und was sie bewirken kann, gibt es in diesem Artikel.

Pellets liegen zu einer kleinen Pyramide aufgehäuft auf einem Holzuntergrund.
Ein Mikronährstoffprodukt ist wichtig für die Bandbreite an wichtigen Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, Aminosäuren sowie weitere Stoffe etwa aus Kräutern, Leinsamen, Bierhefe, Soja oder Reiskleie. Foto: Maresa Mader.

Gerade für Sportpferde wie Shosho, deren Körper viel leisten muss, aber auch für Freizeitpferde, die oft unter Übergewicht und daraus resultierenden Stoffwechselstörungen leiden, wäre es eine gute Nachricht, wenn wir mit sekundären Pflanzenstoffen auch aus Superfruits akute und chronische Entzündungsprozesse in Schach halten können, die den Stoffwechsel belasten.

Gut zu wissen

+ Rations-Regel für Äpfel, Möhren & Co.: Gesund sind maximal 1 bis 1,5 Kilogramm Saftfutter pro Tag und Pferd (Warmblüter)
+ Saftfutter frostfrei lagern: kein gefrorenes oder aufgetautes Obst und Gemüse füttern
+ Schimmeliges Saftfutter komplett wegwerfen
+ Äpfel und Möhren in grobe Stücke schneiden – wenn überhaupt. Zahngesunde Pferde können leicht vom ganzen Obst abbeißen. Für zahnkranke Pferde lieber raspeln als kleinschneiden, da kleine Stücke zu Schlundverstopfung führen können
+ Weintrauben und andere sehr süße Beeren Pferden lieber nicht füttern