Wasser als Pferdefutter: 50 Liter täglich trinken

Dressurpferd Shosho wird geduscht und trinkt aus dem Wasserschlauch.
Wasser als Pferdefutter Nummer 1: Stute Shosho nimmt auch beim Duschen gerne einen Schluck aus dem Wasserschlauch. Foto: Maresa Mader

Ein Pferd wie Shosho braucht täglich bis zu 50 Liter Wasser als Pferdefutter. Denn Flüssigkeit geht mit jedem Atemzug, mit Schweiß, Urin oder Stutenmilch verloren und muss ersetzt werden. Klingt logisch. Wie viel Wasser trinkt ein Pferd, und warum muss es dazu Heu fressen?

Starten wir spielerisch: Wasser als Pferdefutter Nummer eins löscht nicht nur den Durst der Pferde, die ausgewachsen zu 65 Prozent aus Wasser bestehen. Wasser weckt auch den Forschergeist im Pferd. So spielen Fohlen, deren kleiner Körper sogar noch zu 80 Prozent aus Wasser besteht, unbeaufsichtigt gerne mit den Selbsttränken und riskieren dabei Durchfall.

Wie schnell junge Pferde lernen, Wasser zu trinken, zeigen Studiendokumentationen: Fohlen beißen erst ins Wasser, dann lecken und knabbern sie an der Oberfläche. Nach wenigen Versuchen trinken sie so routiniert wie erwachsene Pferde.

Dressurstute Shosho wird von Kopf bis Fuß geduscht.
Besitzerin Gabi Alber gewöhnt ihre Stute Shosho Schritt für Schritt daran, dass Wasser aus der Dusche spannend ist und sogar den Durst löschen kann. Foto: Maresa Mader

In modernen Reitpferden wie unserer Hannoveranerstute Shosho, die im Dressurzentrum Aubenhausen bei Benjamin Werndl und Jessica von Bredow-Werndl ausgebildet wird, steckt noch viel kindliche Neugierde vom Wildpferd: Shosho spielt beim Trinken mit den Lippen im Wassereimer und probiert beim sommerlichen Duschen oder Beine abspritzen auch mal einen Schluck aus dem Wasserschlauch. Besonders mutige oder durstige Pferde beißen sogar in den Duschkopf beim Versuch, Wasser zu erhaschen. Kommt euch das bekannt vor?

Wasser als Pferdefutter ist auch Bewegungsanreiz

Diese natürliche Neugierde, der hohe Wasserbedarf der Pferde und die Tatsache, dass Wasserstellen auch bei Wildpferden als soziale Versammlungsorte dienen, lässt sich beim Stall- und Weidebau nutzen. So gilt eine Wassertränke möglichst weit entfernt vom Futterplatz als Bewegungsanreiz.

Wildpferde entfernen sich bis zu 30 Kilometer vom Wasser und ziehen höchstens zweimal am Tag, manchmal nur jeden zweiten Tag zur Wasserstelle; ihnen reichen sogar 2,5 bis 5 Liter Wasser als Pferdefutter pro Tag. Die besten Wassersparer sind die zierlichen, zähen Namib-Pferde im Südwesten Afrikas. Die Nachfahren verwilderter Hauspferde können in der Wüste vier Tage ohne Wasser auskommen. Forscher vermuten, dass Namib-Pferde ihren Urin stark konzentrieren können.

Tagesbedarf: 5,5 Liter Wasser pro 100 Kilo Pferdegewicht

Reitpferde wie unsere Shosho trinken nach Lehrbuch etwa 5,5 Liter Wasser pro 100 Kilo Pferdegewicht, abhängig von Rasse, Typ, Wetter, Leistung, trockenem oder feuchtem Futter, Geschlecht und Größe. Ein Kilo Heu spülen Pferde mit 3,2 Litern Wasser hinunter, ein Kilo Kraftfutter mit 2 Litern. Heu macht durstiger als klein gehäckselte Heucobs und ist gesünder, weil es Pferde animiert, 27 Prozent mehr zu trinken. Weil Heu außerdem Wasser bindet – im Darm haben 100 Liter Platz – ist es ein wertvoller natürlicher Wasserspeicher.

„Getreidegefütterte Pferde haben 50 Prozent Wasser im Darm, heugefütterte Pferde 78 Prozent“

Professor Dr. Helmut MeyerAutor des Standard-Lehrbuchs „Pferdefütterung“

Heu ersetzt auch Natrium- und Kaliumsalze, die beim Schwitzen verloren gehen. Genügend Heu im Bauch hilft deshalb vor allem Sportpferden, die im Sommer stark schwitzen. „Auf einem Fünf-Stunden-Ritt schwitzt ein Pferd 30 bis 40 Liter aus“, rechnet Dr. Juliette Mallison vor, die als Tierärztin Distanzritte betreut.

Hohen Wasserverbrauch haben auch Fohlenmütter. Eine 500-Kilo-Stute mit Fohlen bei Fuß verliert täglich zehn Liter Wasser über ihre Milch. Auch rossige Stuten, Pferde mit Stoffwechselstörungen oder Durchfall-Patienten scheiden viel Flüssigkeit aus und müssen entsprechend trinken. Experten kennen sogar Pferde, die täglich 120 Liter Wasser schlucken.

Die Wassertränke muss täglich kontrolliert und vor allem im Sommer regelmäßig mit dem Schwamm geputzt werden, damit sich keine Keime vermehren. Foto: Maresa Mader

Ideal ist es deshalb, wenn Pferde rund um die Uhr Zugang zum Wasser als Pferdefutter haben. So schreiben es die deutschen Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutz-Gesichtspunkten vor: „Wasser muss Pferden grundsätzlich – unabhängig vom Haltungssystem – ständig zur Verfügung stehen“, heißt es dort. „Falls dies in Ausnahmefällen nicht möglich ist, muss Wasser mehrmals am Tag, aber mindestens dreimal täglich bis zur Sättigung verabreicht werden. Dies gilt auch für die kalte Jahreszeit. Schnee ist kein Ersatz für eine ausreichende Tränke. Die Ausführungen zur gesundheitlichen Unbedenklichkeit des Futters gelten für die Wasserqualität entsprechend. Tränkevorrichtungen müssen sauber sein und täglich auf Verschmutzung überprüft werden. Selbsttränken erfordern darüber hinaus zusätzlich eine tägliche Kontrolle der Funktionsfähigkeit.“

Natürlich kommt ein Pferd auf der Weide auch mal zwei Stunden ohne Wasser aus oder kann fünf Stunden im Hänger fahren ohne zu trinken. Und auch was die Temperatur des kühlen Getränks anlangt, sind Pferde härter im Nehmen als wir denken. Haben Pferde die Wahl zwischen kalt und warm, trinken Pferde instinktiv kalt. Das beobachteten amerikanische Verhaltensforscher um Dr. Sue McDonnell, die es sich so erklärt: „Kalt bedeutet in der Natur: frisch.“

Manche Pferde sind freilich sensibel, wenn Wasser eisig kalt ist oder wenn es zu viel Chlor enthält: Dann ziehen sie Regenwasser dem Leitungswasser vor. Und einige Pferde haben Probleme, unterwegs beim Transport oder auswärts bei Turnieren fremdes Wasser aus fremden Gefäßen zu trinken. Deshalb üben erfahrene Turnierreiter mit jungen Pferden wie Shosho, aus verschiedenen Gefäßen und an verschiedenen Orten zu trinken.

Das Dressurpferd wird mit der Dusche abgespritzt.
Je alltäglicher der Umgang mit Wasser für das Pferd ist, desto normaler wird Wasser aus jeder Quelle, als Kühlmittel und als Futter. Foto: Maresa Mader

Was passiert nun im Körper, wenn das Pferd Durst hat? Fühler messen rund um die Uhr den Salzgehalt im Blutplasma und melden ihn ans Durstzentrum im Gehirn. Der Salzgehalt steigt, wenn das Blut durch Schwitzen dick und konzentriert wird – Signal für das Durstzentrum, Trinkbefehl zu geben. Dieses System läuft allerdings durch extrem starkes Schwitzen aus dem Ruder, denn der Körper verliert nicht nur Wasser, sondern auch Salz. Dann bleibt der Salzgehalt im Plasma gleich, der Durstreiz fehlt.

Ohne Wasser kein Stoffwechsel und kein Leben

Jedes Futtermolekül, das ein Pferd frisst, wird im Stoffwechsel unter Energiegewinnung zu Wasser und Kohlendioxid verbrannt. Wasser löst Futter in seine Bestandteile auf. Wasser transportiert Verdauungsenzyme in Magensaft und Galle und bringt den Blutkreislauf in Gang, der Nährstoffe zu den Zellen schwemmt. Ohne Wasser würden Zellen schrumpeln und Nervensignale verstummen. Denn in allen Geweben des Körpers schwappt eine salzige Flüssigkeit, deren Ionen Reize und Befehle im Körper übertragen.

Dabei profitiert der gesamte Organismus vom simplen Prinzip, dass Wasser immer dorthin fließt, wo die Salzkonzentration höher ist. Beispiel Niere: Hier wird das Blut erst in haarfeinen Kapillaren von Schadstoffen rein gewaschen, ehe eine effiziente Wasserrückgewinnung den Urin konzentriert – mit Hilfe Tausender Schleifen, durch deren hauchdünne Wände Wasser zurück ins salzhaltige Gewebe sickert.

Der Pferdekot enthält noch 50 bis 75 Prozent Wasser

Trotz dieser Sparmaßnahmen bleiben nur 20 von 100 getrunkenen Litern Wasser im Pferd, obwohl außer dem Urin auch der Pferdekot konzentriert wird. Im Enddarm wird der Futterbrei so stark eingedickt, dass er nur noch 50 Prozent (bei Getreidefütterung) bis 75 Prozent (bei Grasfütterung) Feuchtigkeit enthält.

Klappt diese Rückresorption nicht, bekommt das Pferd Durchfall mit 90 Prozent Wasseranteil – ein Riesen-Leck im Körper. Neben darmfreundlichem Futter und natürlich Wasser als Pferdefutter Nummer eins können jetzt auch Elektrolyt-Zusätze sinnvoll sein. Denn wenn der Wassergehalt des Pferdes von normalen 65 Prozent auf 10 Prozent sinkt, ist Schluss mit durstig. Dann sitzt das Pferd auf dem Trockenen – und wäre ohne Hilfe wohl spätestens nach einer Woche tot.

Wie erkennen wir, dass unser Pferd dringend Wasser braucht? „Als erstes Warnzeichen der Dehydrierung hören Pferde auf zu fressen und werden apathisch“, antwortet Tierärztin Dr. Sara Nyman aus dem schwedischen Uppsala. Eingesunkene Augen, harte Pferdeäpfel bis hin zur Verstopfungskolik und schrumplige Haut sind weitere Signale für Dehydratation. Experten wie Nyman raten deshalb bei Verdacht zum Selbsttest.

Mach den Wassermangel-Check beim Pferd!

Wir packen eine Hautfalte am Hals. Bei ausreichend mit Wasser versorgten Pferden schnellt diese sofort wieder zurück. Fehlt Wasser, bleibt die Falte eine Weile stehen.