Die kleine Shosho hat eine winzige Zahnlücke. Bleibt diese unbehandelt, könnte sie bei der jungen Dressurstute größeren Schaden anrichten. Logisch, dass Pferdezahnarzt Dr. Tilman Simon gleich aktiv wird. Seine Diagnose: Ventil-Diastema. Er muss die daraus folgende Zahnfleischtasche behandeln, die an den hinteren Backenzähnen sitzt.
Sein Lösungsweg ist, typisch Tilman Simon, rasch und kompetent handelnd: Der Pferdezahnexperte aus dem bayerischen Warngau, der im Dressurzentrum Aubenhausen außer Shosho auch Olympia-, Grand-Prix- und Nachwuchspferde der Familie von Bredow-Werndl betreut, macht sich direkt an die Arbeit und legt zum Zahnfleischtasche behandeln sein Profi-Handwerkszeug bereit, nachdem er Shoshos Kopf und Kiefer gecheckt hat.
Als erstes kommt die Spritze für das Sedativum zum Einsatz, denn Stute Shosho wird wie für jede Untersuchung und Behandlung an den Zähnen in einen kurzen Dämmerschlummer versetzt. So dass sie auf allen vieren stehenbleibt während der Behandlung, aber vom Eingriff nichts mitbekommt und keine Abwehrreaktionen zeigt, die für Pferd und Tierarzt gefährlich wären.
Damit die Stute auch keine Schmerzen hat, falls die Instrumente mal ziepen oder tiefer in Zahnfleischtasche und Kiefer versenkt werden müssen. „In den Mitteln, die wir zur Sedierung von Pferden einsetzen, ist auch ein Opioid enthalten für die Schmerzlinderung“, sagt Dr. Tilman Simon und betont, wie wichtig die Sedierung bei Zahnbehandlungen ist aus Gründen des Tierschutzes und der Sicherheit. „Das gilt ausnahmslos für alle Pferde, egal wie brav sie auch sein mögen beim Tierarzt.“
Im Falle von Shoshos Diastema und ihrer Zahnfleischtasche, auch Parodontaltasche genannt, muss Tilman Simon tief in den Zahnhalteapparat des Backenzahns hinein und die Zahnfleischtasche kürettieren, also abgestorbenes Gewebe ausräumen.
„Es muss ein bisschen bluten, damit keine Futter- und Gewebereste zurückbleiben, in denen Bakterien weiter nisten könnten. Danach spüle ich die Tasche mit einer antiseptischen Lösung, um alles zu killen, was da lebt.“
Als das Zahnfleischtaschen behandeln abgeschlossen ist, blickt Shosho schon wieder recht munter um sich. „Jetzt noch ein Tag Ruhe ohne Reitgebiss im Maul, dann kann sie wieder ganz normal trainiert werden“, gibt Dr. Simon Nachsorge-Order an Shoshos Bereiterin Eilika Böye: „Falls euch doch noch etwas Ungewöhnliches auffallen sollte, dann informiert mich bitte, und wir kontrollieren ein zweites Mal.“ Eilika Böye, lobt Dr. Simon, ist ohnehin sehr aufmerksam, wenn es um die Gesundheit ihrer Schützlinge geht.
Ein guter Riecher für Mundgeruch beim Pferd und ein feines Gespür für plötzliche Rittigkeitsprobleme sind wichtige Frühwarnsysteme bei Zahnproblemen. Denn es gibt typische Alarmsignale, auf die Pferdepfleger, Reiter und Pferdetrainer achten müssen, nur dann kann man rechtzeitig die Zahnfleischtasche behandeln.
„Am besten ist es, wenn wir solche Zahnprobleme gleich im Anfangsstadium im Keim ersticken können, wie es bei Shosho geglückt ist“, sagt Tilman Simon, dem die Zahnlücke und die sich bildende kleine Zahnfleischtasche bei der jährlichen Routineuntersuchung aufgefallen ist.
Symptome für Zahnfleischtaschen sind:
+ Fauliger oder eitriger Mundgeruch
+ Pferd kaut sein Futter ungleichmäßig und hält den Kopf schief beim Fressen
+ Ungewöhnliche Kaubewegungen und Gähnen
+ Wickelkauen: Unvollständig zerkautes Futter wird wieder ausgespuckt
+ Muskelverspannungen vor allem im Genickbereich
+ Rittigkeitsprobleme und Mauligkeit beim Reiten
So entstehen Zahnfleischtaschen beim Pferd
Ursache sind Zahnlücken (Diastema), entweder anatomisch, physiologisch oder altersbedingt (seniles Diastema). Die Backenzähne bilden beim Pferd eine optische Einheit und sehen oberflächlich aus wie ein einziger Zahn. Dazwischen sind aber kleine Schlitze.
„Beim Ventil-Diastema treffen die Zahnkanten nicht parallel zusammen, sondern wie die Striche eines umgedrehten V“, beschreibt der Pferdezahnarzt. „Wo die Striche zusammenstoßen, ist ein winziger Spalt, und nach unten zum Zahnfleisch hin gehen die Striche weiter auseinander. Genau dort, in dieser Lücke in der Tiefe, sammeln sich Futterreste und können nicht mehr raus, weil der Spalt oben zu schmal ist. Deshalb habe ich diesen Spalt leicht aufgefräst mit meiner Drei-Millimeter-Fräse, so dass das Futter leichter wieder herausfallen kann.“
Das ist die hohe Schule der Zahnbearbeitung und gilt auch für vorbeugende Maßnahmen, um ein Diastema zu verhindern oder nicht schlimmer werden zu lassen. Denn der häufigste Grund für Zahnlücken ist laut Tilman Simon ein Missverhältnis der Kaukräfte beider Kiefer, die beim Pferd gewaltig zubeißen müssen, um das harte Pferdefutter, vor allem Heu, zu zerkleinern.
Zahnfleischtaschen beim Pferd vorbeugen
Wichtig ist neben der Beobachtung durch den Reiter, dass der Pferdezahnarzt bei der jährlichen Gebisskontrolle die Okklusion, also den Kontakt der Zahnreihen, prüft und durch Zahnbearbeitung optimiert. Dann treffen die Zahnreihen von Ober- und Unterkiefer gleichmäßig aufeinander, und die Kaukräfte sind harmonisch verteilt auf Schneidezähne, Backenzähne und Kiefergelenke beider Seiten.
Okklusionsoptimierung ist daher auch das Mittel der Wahl, um Gammelfleisch in Parodontaltaschen und letztlich Zahnverlust vorzubeugen. Denn was uns Menschen vor Parodontose bewahrt, funktioniert bei Shosho leider nicht: Unsere Pferde können keine Zahnseide benutzen, wie wir Menschen es tun, um unsere Zahnzwischenräume von Essensresten zu reinigen. Nichtstun ist jedenfalls keine Option, findet Dr. Simon und erzählt, was passieren kann, wenn man die Kontrolle der Pferdezähne schleifen lässt.
„Bei einem erst achtjährigen Patienten musste ich neulich einen Backenzahn ziehen. Der Zahn war intakt, aber er stand komplett im Eiter: Der Zahnhalteapparat war zerstört. Auch das war anfangs mal einfach eine Zahnfleischtasche, die keiner bemerkte und behandelte. Für das Pferd bedeutet es Monate oder Jahre voller Schmerzen, und am Ende fehlt ihm ein wichtiges Stück, um sein Heu zu fressen. Und Heu ist nun mal das Grundnahrungsmittel fürs Pferd.“
Dr. Bianca C. Schwarz, DipECEI, ist europaweit renommierte Pferdeinternistin und unsere Shoshologisch-Expertin für alle inneren Erkrankungen von Atemwegen bis Zwerchfell sowie für allgemeine gesundheitliche Themen. Symptome erkennen, Parameter richtig deuten und dabei kleinste Details zu ermitteln, ist für sie akribische Detektivarbeit in der differenzierten Diagnostik und kompetenten Befundung medizinischer Probleme. Dr. Schwarz berät Pferdebesitzer und Ärztekollegen, erstellt Gutachten und hält Vorträge. www.pferdeinternist.de
Die Veterinär-Physiotherapeutin behandelt Shosho und ihre Sportpferdefreunde in Aubenhausen nicht nur körperlich, sie hilft ihnen mit Verladetraining auch, gelassen in den Hänger zu gehen. An der Aberystwyth-University legte sie den Bachelor in Equine Sciences ab, an der Middlesex University den Master in Veterinary Physiotherapy. Seit 2014 ist sie selbstständig tätig: www.pauline-nachbauer.com
Die Dressurreiterin, Mutter von Jessica und Benjamin Werndl, prägt mit ihrer positiven Ausstrahlung die Atmosphäre in Aubenhausen. Aus ihrer Liebe zu Pferden und zum Yoga gründete sie die Yoga-Schule www.self-ish.de und coacht Spitzenreiter auf dem Weg zur Harmonie mit ihren Pferden. Außerdem engagiert sie sich im Deutschen Kuratorium für Therapeutisches Reiten DKThR e.V. und ermöglicht behinderten Menschen Reitunterricht.
Der Pferdezahnspezialist ist Tierarzt mit Zusatzbezeichnung und Weiterbildungsermächtigung Zahnheilkunde, außerdem Equine Veterinary Dentist (SVA). Er betreibt eine Tierärztliche Gemeinschaftspraxis im bayerischen Warngau mit Dentalzentrum in Lenggries, betreut alle Pferde im Dressurzentrum Aubenhausen und ist Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Tierzahnheilkunde. www.herold-simon.de
Dr. Gabriele Alber ist Agrarwissenschaftlerin und seit Januar 2019 stolze Besitzerin von Hannoveranerstute Shosho (MV: Riccione, V: Sir Donnerhall). Sie gab der Stute den Namen Shosholoza (südafrikanisch „Aufbruch“). Neben Shosho gehört noch der 1997 geborene Wallach David zur Pferdefamilie. Gabriele Alber wuchs mit Pferden auf und ritt Dressur bis Klasse S. 1998 gründete sie die Manufaktur navalis® nutraceuticals, die sie bis 2021 führte. Heute ist sie selbstständig beratend im Bereich Pferdeernährung und Produktentwicklung tätig.
Benjamin Werndl ist Head Coach von Shosho und leitet das Dressurzentrum „HOME of the DRESSAGE HORSE“ im bayerischen Aubenhausen mit seiner Schwester Jessica von Bredow-Werndl. Der Träger des Goldenen Reitabzeichens zählt zu den Top Ten der Dressur-Weltrangliste und zum deutschen Olympiakader. Mit neun Jahren bekam Benjamin Werndl www.benjamin-aubenhausen.de sein erstes Pony und wollte erst Springreiter oder Skirennfahrer werden, bevor er 2002 als Vize-Europameister und Deutscher Meister der Jungen Reiter seine Dressurkarriere startete.
Eilika Böye trainiert die Stute Shosho täglich und gehört seit Juli 2019 zum Team Aubenhausen www.aubenhausen.de, wo sie sich vor allem um die Dressurausbildung der jungen Pferde kümmert. Die Pferdewirtin Schwerpunkt Reiten, ausgezeichnet mit der Stensbeck-Plakette, war auch im Springen bis Klasse S und in der Vielseitigkeit bis CIC* erfolgreich und als Bereiterin unter anderem auf dem Hof Kasselmann tätig.
Yvonne Baumgärtner kümmert sich ganzheitlich um Shosho von der täglichen Pflege über Erziehungsfragen bis hin zum Füttern morgens, mittags und abends. Seit Dezember 2018 gehört sie zum Team Aubenhausen. Yvonne koordiniert Shoshos Gesundheitsmanagement, wacht darüber, dass es ihr gut geht und kennt ihre Futtervorlieben ebenso wie Shoshos Eigenheiten als Pferdepersönlichkeit.
Dr. Kathrin Irgang berät Pferdebesitzer umfassend in Fütterungsfragen und unterstützt „ShoshoLogisch“ als Expertin. Nach dem Studium der Veterinärmedizin spezialisierte sich die Tierärztin mit Zusatzbezeichnung Ernährungsberatung (Kleintiere) www.tierarzt-ernaehrung.de im Jahr 2000 auf computergestützte Rationsberatung und Diätetik für Pferde. Ihr Leitmotto: „Gut gefüttert heißt noch nicht optimal ernährt.“
Online-Chefredakteurin Christine Felsinger ist studierte Biologin und Journalistin. Sie besitzt zwei Pferde, geboren 1997 und 2022, und verantwortet seit 1998 Fachmedien zum Thema Pferd. Heute als freie Journalistin, Bloggerin und Kommunikatorin tätig, leitete sie viele Jahre das Reitsportmagazin Cavallo, konzipierte unter anderem das Bookazin "ReitKultur", den Ernährungs-Blog www.freundpferd.de und den Pferdegesundheits-Blog „ShoshoLogisch“. In der Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft um das Pferd e.V. www.pferd-forschung.de ist sie Vorstandsmitglied.
Maresa Mader hat ihre Hobbys Pferde, klassische Dressur und Fotografie zum Beruf gemacht www.maresamader.com. Die Diplom-Designerin und Reiterin ist die Kamerafrau bei ShoshoLogisch. Sie fotografiert die Harmonie zwischen Pferd und Reiter seit 2010 mit viel Gefühl und gutem Auge – und freut sich, dass die fotogene und talentierte Stute Shosho ihr als Model so viel Spielraum für Motive und Momente bietet.
Miriam Reichel studierte Jura, hat ein Pferd, dass sie momentan in Klasse M in der Dressur vorstellt und zwei Hunde. Sie leitet zwei Verlage und hat zahlreiche Bücher und Artikel herausgegeben. Nebenbei spricht sie auf Krebskongressen zum Thema Heilung und Ernährung. www.miriam-reichel.com