Pferdefütterung im Fellwechsel – Aminosäure bis Zink

Shosho steht in ihrer Box. Dr. Gabriele Alber streichelt ihr über den Hals.
Komfortritual: Vor dem Training wird Shosho täglich gepflegt. Im Fellwechsel fördert das die gesunde Hautfunktion – und natürlich die Mensch-Pferd-Beziehung. Foto: Maresa Mader

Ein loses Haar hier, eines da: Die zarten Boten des Fellwechsels im Frühjahr fliegen uns um die Nase, während wir noch in Winterjacke, Mütze und Handschuhen das Pferd striegeln. Höchste Zeit, die Pferdefütterung im Fellwechsel anzupassen und den Mehrbedarf an Energie und essenziellen Bausteinen wie Mineralstoffen wie Zink, Vitaminen sowie Aminosäuren zu decken. Und zwar am besten mit einem nutriologisch passendem Konzept.

Auch Yvonne Baumgärtner, Shoshos Pflegerin im Dressurzentrum Aubenhausen, hat bereits im Februar trotz zweistelliger Minusgrade bemerkt, dass die fünfjährige Hannoveranerstute ihr glänzendes dunkelbraunes Winterfell loswerden möchte. Denn Fellwechsel ist ein biologisch natürlicher, saisonaler Prozess, der automatisch durch ihren Hormonstoffwechsel gesteuert wird. Das geschieht übrigens nicht nur bei Tieren, sondern auch bei uns Menschen.

Fellwechsel ist fast immer – versteckt im Pferd

Geheimtipp große Wurzelbürste: Damit wird Shosho in Haarwuchsrichtung ausgiebig am ganzen Körper massiert. Foto: Maresa Mader

Für Pferdepfleger und Reiter ist der hinter den Kulissen ablaufende, andauernde Auf-, Um- und Abbauprozess von Fell und Haut des Pferdes zweimal im Jahr auch deutlich sichtbar. So gleicht das Pferd seine Kleider zum Schutz gegen Kälte, Nässe, Sonne und Hitze selbstständig an die jeweilige Jahreszeit an.

Auch bei einem intensiv trainierten, im Stall gehaltenen Reitpferd wie Shosho, die ungeschoren ihr schönes, natürliches Fell behalten durfte, ist der Fellwechsel noch voll intakt. Er verläuft in vier Phasen (siehe Infobox). Beim Fellwechsel, Darwin lässt grüßen, handelt es sich übrigens um eine evolutive Adaption an die Umwelt.

Fell und Haut sind Bestandteil der Thermoregulation, die den Körper gleichwarmer (homöothermer) Säugetiere bei jeder Witterung auf Betriebstemperatur hält: mit einem raffinierten Komplex aus saisonal passender Haarstruktur, isolierendem Unterhautfettgewebe, wasserabweisender Talgschicht und dem in der Haut verankerten Haarbalg. Nerven und Muskeln geben den Haarbalgen Impulse, damit sich die Haare bei Kälte plüschig aufstellen und bei Wärme anlegen.

Bei der fein behaarten, fitten Warmblutstute Shosho, die rund ums Jahr nutriologisch optimal gefüttert, gesundheitlich top betreut und abwechslungsreich bewegt wird, ist der Fellwechsel eine äußerlich betrachtet leichte Übung für den Stoffwechsel. Lästig, so scheint es bei solchen pflegeleichten Pferden, ist der Fellwechsel vor allem für den Reiter. Der muss dann nämlich täglich Haarbüschel ausbürsten.

Gut zu wissen:

Wenn wir den Fellwechsel in Phase 4 des Haarzyklus bemerken, ist er schon fast vorbei. Deshalb sollten wir die Fütterung rechtzeitig anpassen.

Phase 1: Wachstum: Haar wird mit Nährstoffen versorgt und wächst (von Januar bis Mai bzw. Ende Juli bis November).

Phase 2: Ruhe: Haar wird nicht mehr mit Nährstoffen versorgt und wächst nicht mehr.

Phase 3: Übergang: Neues Haar schiebt das alte Haar heraus.

Phase 4: Haarverlust

Fellwechsel ist Höchstleistung und zehrt Kräfte

Die vielen Wochen im Jahr, in denen sie mehr Energie und Nährstoffe in den Umbau des Fells stecken müssen, sind allerdings für jedes Pferd anstrengend. Selbst wenn es jung und gesund ist. Pferdefütterung im Fellwechsel bedeutet daher auch, den Stoffwechsel auf Hochtouren mit Versorgungsnachschub zu unterstützen. Wie stark Fellwechsel zehrt, hängt von den Voraussetzungen ab, die unser Pferd mitbringt.

Gut zu wissen.

Je mehr Störfaktoren im Spiel sind, desto mehr Nachschub an Energie und Nährstoffen benötigt das Pferd vor und im Fellwechsel. Der fällt besonders Pferden mit Nährstoffdefizit schwer. Das betrifft häufig ältere Pferde, Pferde mit erhöhter Belastung wie Leistungssport oder Trächtigkeit sowie Pferde mit Vorerkrankungen wie Equinem Cushing Syndrom, Lebererkrankungen oder Allergien.

Wird die Pferdefütterung im Fellwechsel dann nicht angepasst, drohen Abgeschlagenheit, Leistungsabfall, Infektanfälligkeit, Haut- und Kreislaufprobleme, Abmagerung sowie Probleme mit Muskulatur und Bewegungsapparat. Schleppt sich der Fellwechsel sehr lange oder kann gar nicht abgeschlossen werden, kommt die Thermoregulation aus dem Tritt.

Das wiederum belastet das Herz-Kreislauf-System – erst recht, wenn jähe Temperaturschwankungen zwischen eisiger Kälte und frühlingshafter Wärme wie etwa im Winter 2020/2021 noch zusätzlichen Stress in die Fellwechselperiode bringen.

So kommt es, dass das eine Pferd den Fellwechsel scheinbar mühelos in Rekordzeit meistert, während ein anderes seine Haare zögerlich oder gar unvollständig verliert und mit körperlichen Symptomen kämpft.

„Bei der jungen Shosho ist es zum Glück nicht so, dass Fellwechsel und Temperaturschwankungen sie merklich belasten. Bei den älteren Pferden im Stall fällt auf, dass der Kreislauf durch die Temperaturschwankungen mitten in der ohnehin belastenden Fellwechselperiode schon deutlich mehr zu tun hat.“

Dr. Gabriele Alber, mit Ihrer Dressur-Nachwuchsstute Shosholoza. Foto: Maresa Mader
Dr. Gabriele AlberAgrarwissenschaftlerin

Hauptursache für Probleme beim Fellwechsel sind unzureichende Versorgung mit Mikro- und Makronährstoffen und ein vorbelasteter Stoffwechsel. Neben schlechter Futterqualität (vor allem während der Wintermonate) können auch medikamentöse Behandlungen Leber, Stoffwechsel und somit auch den Fellwechsel beeinträchtigen.

Häufigste Ursachen für Probleme beim Fellwechsel

  • energie- und nährstoffarmes Grobfutter
  • mangelnde Futterqualität
  • Antibiotika
  • Impfungen
  • Wurmkuren
  • Dysbiosen im Darm
  • Stress
  • höheres oder sehr junges Alter

Pferde, die an Stoffwechselerkrankungen wie dem Equinen Cushing Syndrom (ECS) leiden, haben oft ein auffälliges, längeres oder gelocktes Fell und starke Probleme mit dem Fellwechsel. Ihr vorbelasteter Stoffwechsel geht in die Knie, wenn der Nährstoffmehrbedarf nicht gestillt wird. Auch dicht behaarte Pferderassen, die bis zu 15 Kilogramm Haare jährlich neu produzieren müssen, haben einen deutlich erhöhten Nährstoffbedarf im Vergleich zu fein behaarten Warmblütern wie Shosho.

Wann und wie können wir durch Pferdefütterung im Fellwechsel unterstützen, vorbereiten und begleiten? Und wie verhindern wir, dass bei Reitpferden mit dem ausfallenden Fell auch dessen Schutzfunktion zeitweilig verloren geht? Was bringen Wärme, Pflege, Ein- und Ausdecken?

Das Tageslicht bestimmt den Fellwechsel

Schauen wir uns an, wann wir idealerweise die Pferdefütterung im Fellwechsel umstellen müssen. Dazu ist wichtig zu wissen, dass der Beginn des Fellwechsels sich vor allem nach der Tag-Nacht-Länge richtet (Photoperiodismus). Werden die Tage länger bzw. kürzer, triggert das die Ausschüttung von Hormonen im Organismus. Deren Level und Verhältnis zueinander läutet dann den Fellwechsel ein.

Nach aktuellem Stand der Forschung spielen zwei Hormone zentrale Rollen in der Fellwechselsteuerung. Das ist zum einen das aus der Zirbeldrüse (Epiphyse) des Gehirns stammende Melatonin. Zum anderen das aus der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) stammende Prolaktin. Sie beeinflussen auch die Pigmentierung des Fells. Da der Fellwechsel von der Tageslänge abhängt, beginnen erste Fellwechselprozesse bereits im Januar bzw. im Juli. Der Startschuss dafür fällt jedoch bereits zur Winter- bzw. Sommersonnenwende.

Neben der Tageslänge beeinflusst die Umgebungstemperatur den Fellwechsel. Sie bestimmt etwa die Beschaffenheit des neuen Haarkleids, also heller, kurz und leicht im Sommer; dunkler pigmentiert und länger im Winter. Auch die Haltung in einer Box oder in Robusthaltung sowie das Eindecken beeinflussen den Fellwechsel sekundär.

Gut zu wissen

Im Januar und Mitte September sollte die Fütterung des Pferdes jeweils auf Fellwechsel umgestellt werden, denn jetzt beginnt die Haarproduktion – gesteuert von der Tageslichtlänge. Besonders wichtig ist die zusätzliche Nährstoffversorgung im Fellwechsel ab Januar, denn Heu liefert weniger wertvolle Nährstoffe als das Gras im Sommer.

Wie die Pferdefütterung im Fellwechsel hilft

Je fitter Stoffwechsel, Darm und Leber, desto besser die Nährstoffversorgung und desto unbeschwerter kommt das Pferd durch den Fellwechsel. Basis eines gesunden Stoffwechsels ist eine bedarfsgerechte Versorgung mit hochwertigem Grob- oder Grundfutter. Das bedeutet: Heu, Heulage, Stroh, Weidegras. Dieses wird in Menge und Zusammensetzung an den erhöhten Bedarf im Fellwechsel angepasst.

Zur Basisversorgung gehören außerdem ausreichend Mineralien und Vitamine (Versorgung bitte über ein Futter zur Mikronährstoffergänzung sicherstellen) sowie schwefelhaltige Aminosäuren. Diese benötigt der Organismus für die Bildung von Keratin, dem Strukturprotein des Haars. Schwefelhaltige Aminosäuren kann der Körper selbst gewinnen. Sie können im Fellwechsel für den Aufbau der neuen Haare aber auch zugefüttert werden.

Aminosäure bis Zink: Makro- und Mikronährstoffe fürs Fell

Letzter Schliff: Nach Magic Brush, Wurzelbürste und Babytuch ist Shoshos dunkelbraunes Winterfell seidig glänzend. Foto: Maresa Mader

Grundlage eines funktionierenden Fellwechsels ist die gesunde Haut, deren Stoffwechsel vom Spurenelement Zink profitiert. Es ist elementar für die Bildung und Verhornung der Haut und spielt eine wesentliche Rolle im Stoffwechsel von Cystein. Das ist die wichtigsten Aminosäure für den Aufbau des Haarkeratins. Bei Zinkmangel sind Zellsysteme mit hoher Teilungsrate wie Hautzellen, Haarwurzelzellen und immunkompetente Zellen direkt betroffen. Die Folge: Das Haar wird dünn, farblos und brüchig.

Weitere wichtige Mikronährstoffe für den Hautstoffwechsel sind u.a. Selen, Mangan, Biotin, Beta-Carotin, Vitamin A, B-Vitamine und Vitamin C. Auch Magnesium und Vitamin E sind von großer Bedeutung. Zink und Selen sind außerdem fürs intakte Immunsystem wichtig und können der im Fellwechsel oft erhöhten Infektanfälligkeit gegensteuern.

Besonders wichtig für den funktionierenden Fellwechsel beim Pferd sind aus nutriologischer Sicht also ab Januar bzw. Juli diese Nährstoffe im Futter:

  • hochwertige Proteine
  • schwefelhaltige Aminosäuren
  • Mengenelement Magnesium
  • Spurenelemente Zink, Kupfer, Mangan, Selen, Silicium
  • Omega-3-Fettsäuren (z.B. im Leinöl)
  • Vitamine A, B, C, E, H (Biotin)
  • Energie aus Kohlenhydraten: zusätzlich bei Bedarf

Leber entlasten durch Pferdefütterung im Fellwechsel

Die Leber ist das zentrale Stoffwechselorgan. Zeiten hoher Stoffwechselaktivität wie der Fellwechsel fordern sie stark , sie hat dann einen erhöhten Bedarf an Mikronährstoffen. Helfen können ihr dabei Kräuter wie Mariendistel zur Unterstützung vor allem des Frühjahrsfellwechsels. Sinnvoll ist es auch, Zucker oder chemisch-synthetische Inhaltsstoffe im Futter wegzulassen.

Weil Leber und Darm eng zusammenspielen, ist auch eine intakte Darmflora und eine gut funktionierende Verdauung essenziell für die Aufnahme von Nährstoffen. Präbiotika können Dysbalancen im Darm entgegenwirken und dem Pferd ebenfalls den Fellwechsel erleichtern. Zu den Präbiotika zählt beispielsweise Lactulose, ein nicht absorbierbares Disaccharid.

Ist der Kreislauf beeinträchtigt, helfen mäßige, regelmäßige Bewegung und eine kurmäßige Gabe von Kräutern wie herz- und kreislaufstärkendem Weißdorn.

Nimmt die Grasqualität im Spätsommer zum Start des Winterfellwechsels ab oder kann das Pferd zum Start des Sommerfellwechsels im Januar noch kein Gras fressen, ist die natürliche Aufnahme an ungesättigten Omega-3-Fettsäuren eingeschränkt.

Dann ist Omega-3-fettsäurenreiches Leinöl als Futterzugabe wertvoll. Stute Shoho bekommt ihre täglichen 30 Milliliter Leinöl sogar ganzjährig übers Futter und frisst es sehr gern. Schöner Nebeneffekt: Die ungesättigten Fettsäuren reichern sich im Talg an, der die Haut als schützender Film überzieht.

Fellpflege und Umdecken als Komfortrituale

Der schützende Film verteilt sich auch im Fell; umso mehr, wenn dieses vor allem im Fellwechsel regelmäßig gebürstet wird. Denn natürlich ist neben der angepassten Fütterung auch die intensivere Fellpflege der Schlüssel, der Shosho und ihre Stallmitbewohner im Dressurzentrum Aubenhausen den Fellwechsel angenehmer macht. Zum täglichen Genussritual gehören das Ausstriegeln und -bürsten der Haare, was auch die Durchblutung und somit den Fellwechsel erleichtern kann.

„Wir putzen Shosho einmal täglich ganz gründlich, wenn wir sie fürs Reiten und Longieren herrichten. Meist ist sie vorher ja draußen auf dem Paddock. Das kostet sie immer voll aus und wälzt sich auch bei Regen und Matsch. Da sieht sie dann schon ziemlich aus, gerade wenn die Decke mal verrutscht.“

Yvonne BaumgärtnerShoshos persönliche Betreuerin im Dressurzentrum Aubenhausen

Zum Striegeln hat Yvonne einen Geheimtipp: „Wir nehmen hier gern Kunststoffbürsten von ‚Magic Brush‘ oder ähnliche. Die haben wir in allen Farben und Härten. Von ganz weich für den Kopf bis hart für Winterfell und Schlamm. Danach gehen wir mit einer ganz großen Bürste drüber und zum Schluss manchmal noch mit einem öligen Babytuch. Das nimmt den Staub und bringt Glanz.“   

Wärme tanken: 15 bis 30 Minuten unterm Solarium, dann trocknet das Winterfell nach dem Training. Foto: Maresa Mader

Ebenso wie vor dem Bewegen der Pferde gibt es auch nach dem Training in Aubenhausen Rituale, die dem Komfort und der Gesunderhaltung von Shosho und ihren Mitbewohnern dienen. Dazu gehört ein sorgfältiges Wärme-, Abschwitz- und Deckenmanagement vor allem während der Zeit, in der das Fell feiner wird, die Temperaturen aber noch kühl sind. 

„In Aubenhausen wird das Ein- und Umdecken sehr penibel gehandhabt“, beobachtet Shoshos Besitzerin Dr. Gabriele Alber. „Die Pferde gehen nach dem Reiten unters Solarium, bis sie trocken sind. Das kann zwischen 15 und bis zu 30 Minuten dauern. Danach kommt eine Abschwitzdecke drauf. Nach einer Stunde wird wieder umgedeckt auf Stalldecke, damit das Pferd nicht feucht wird. Das ist vor allem wichtig, wenn das Pferd wie Shosho ungeschoren ist.“

  

Gut zu wissen

Faktoren wie Eindecken, Wetter und Haltungsform beeinflussen den Fellwechsel untergeordnet. Sie modulieren Tempo und Ausmaß. Sinnvoll für den Komfort des Pferdes ist Eindecken bei intensiv trainierten Reitpferden und auch bei Kälteeinbrüchen im Frühjahr, wenn das wärmende Winterfell bereits abgestoßen wurde. Senioren oder kranke Pferde sollten bei Bedarf ebenfalls mit einer Decke unterstützt werden.

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